Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
von Gustav Mahler tauchen in Konzertprogrammen in der Regel seine Sinfonien oder seine Liederzyklen auf. Deutlich seltener erklingt sein einziges überliefertes Kammermusikwerk, entstanden in seiner Studentenzeit an der Wiener Musikhochschule: Der Klavierquartettsatz a-Moll.
Im Jahr 1875 trifft Gustav Mahler in Wien ein. Die imposante Stadt mit prunkvoller Architektur ist ein Kulturschock für den 15-jährigen Mahler, der aus dem deutschsprachigen, mährischen Provinznest Iglau stammt. In Wien wird er an dem damals noch recht kleinen Konservatorium am Karlsplatz Klavier und Harmonielehre studieren. Bis zum Abitur bleibt er aber externer Schüler am Gymnasium von Iglau und absolviert am Schuljahresende seine Prüfungen mit nur mäßigem Erfolg. Mahler studiert in Wien bei Robert Fuchs und Anton Bruckner, hört aber bald auch Vorlesungen in Geschichte und Philosophie. Er interessiert sich für alle Denkrichtungen von der Antike bis zur Gegenwart - das wird später seine Musik prägen.
Zudem komponiert er Kammermusik, darunter seinen Klavierquartettsatz a-Moll. Das Stück ist im Geiste seines Vorbilds Johannes Brahms geschrieben, der damals Direktor des Wiener Musikvereins ist. Mahler möchte ihn gerne mit seiner Musik beeindrucken. Mit 16 Jahren hat er seinen Stil noch nicht gefunden, sondern steht noch ganz im Bann der Romantiker Schubert und Brahms. Und dennoch gewährt dieses Fragment einen faszinierenden und bewegenden Blick auf die Anfänge des genialen Sinfonikers. Ab dem Beginn ist ein schmerzlicher, etwas düsterer Tonfall wie eine Grundmelodie vorhanden - als wüsste der junge Gustav Mahler bereits um die Untiefen des Lebens. Das tut er tatsächlich, denn der Tod ist allgegenwärtig im Hause Mahler. Von Gustavs 13 Geschwistern sterben in seiner Kindheit und Jugend sechs. Seine spätere Frau Alma wird den Satz formulieren: „Niemals wich die vereinsamende Traumwolke um ihn so ganz.“
Wo ist der Rest des begonnenen Klavierquartetts? Gibt es den überhaupt? Mahler war bei seinen Kommilitonen bekannt dafür, dass er wenige Werke zu Ende komponierte. Das, was er in diesen Jugendjahren komponiert hat, wurde von ihm oft schnell wieder entsorgt. Sein Quartettsatz ist erst in den 1960er Jahren wiederentdeckt und 1973 erstmals veröffentlicht worden.
Der heutige Konzertmitschnitt stammt vom Verbier Festival und wurde dort am 25. Juli 2014 aufgezeichnet. Es musizieren Kirill Troussov, Ellen Nisbeth, Elisabeth Hecker, und Martin Helmchen:
www.youtube.com/watch w&t=8s
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler