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20.02.2025 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 739

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

in diesem Jahr findet in der Stadtkirche Königslutter wieder ein Osterkonzert mit der Camerata Instrumentale Berlin statt - unter dem Titel "Komm ein bisschen mit nach Italien" erwartet Sie am Ostermontag, 21. April, um 18:00 Uhr ein italienisches Programm mit Werken für Streichorchester - Tickets sind in Kürze erhältlich, bitte schauen Sie gerne auf der Website www.coramclassic.de vorbei. Ein Stück aus dem Konzert möchte ich Ihnen schon heute vorstellen: Ottorino Respighis Antiche danze et arie per liuto, Suite Nr. 3.

Respighis "Alte Tänze und Arien“ führen uns an die Anfänge der Alte-Musik-Bewegung im Italien des frühen 20. Jahrhunderts zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm sich der Komponist aus Bologna italienische Lautenstücke aus dem 16. und 17. Jahrhundert vor, ein Repertoire, das damals allenfalls Musikhistoriker beschäftigte, da es faktisch keine Lautenisten gab und auch die Gitarristen sich noch nicht für Lautenmusik interessierten. Also kam Respighi auf die Idee, Lautenstücke für kleines Orchester in sehr differenzierten Besetzungen zu arrangieren - eine Gegenreaktion auf die monumentalen Sinfonien der Epoche, wie sie sich damals auch in Frankreich und Deutschland zeigte in Verbindung mit der Rückbesinnung auf den „Alten Stil“. Die erste Suite von 1920 war ein so großer Erfolg, dass er drei Jahre später eine zweite Serie folgen ließ. 1932 schuf er die dritte Suite, ausschließlich für Streichorchester.

Die Klangmöglichkeiten der Streichinstrumente kannte Respighi aus seiner langen Erfahrung als Bratschist im Orchester. Am Liceo musicale seiner Heimatstadt Bologna hatte er Geige und Bratsche studiert, daneben Komposition bei Giuseppe Martucci, dem „italienischen Brahms“. Es dauerte freilich Jahre, bevor er seine Komponistenkarriere ernsthaft in Angriff nahm. Zuvor wirkte er als Orchesterbratschist u. a. in Sankt Petersburg und Bologna, nahm daneben Kompositionsstunden bei Nikolaj Rimsky-Korsakow in Russland und bei Max Bruch in Berlin. Erst mit Mitte 20 begann er, sich als Komponist und als Bearbeiter von Alter Musik einen Namen zu machen. 1916, mit Mitte 30, gelang ihm der Durchbruch mit der Uraufführung seines monumentalen Orchesterwerks "Fontane di Roma". Diese klingende Huldigung an die Brunnen seiner Wahlheimat Rom, wo er seit 1913 als Professor an der Accademia di Santa Cecilia lehrte, machte ihn auf einen Schlag berühmt. Auf die Römischen Brunnen ließ er in ebenso monumentaler Sinfonik "Feste di Roma" (Römische Feste) folgen.

Die drei Zyklen der "Antiche Danze ed Arie" offenbaren trotz ihres viel kleineren Formats den gleichen Klangsinn wie jene Monumentalwerke. Die dritte Serie beginnt mit einer Italiana, einem italienischen Tanz der Renaissance im gemächlichen Dreiertakt. Das Pizzicato der Celli verleiht dieser zauberhaften Einleitung Serenadencharakter. Darauf folgen mehrere Arie di Corte bzw. Airs de Court, höfische Gesänge, die der burgundische Lautenspieler Jean-Baptiste Besard um 1604 in Köln in seinem Thesaurus harmonicus drucken ließ. Eine Auswahl dieser kurzen, tänzerischen Arien erschien 1914 in Mailand in der Bibliothek musikalischer Raritäten. Auf diese Weise lernte sie Respighi kennen und benutzte sie als Vorlagen für den zweiten Satz seiner Suite, wobei er den Namen des Komponisten italianisierte: Giovanni Battista Besardo alias Jean-Baptiste Besard war ein Zeitgenosse von Claudio Monteverdi, geboren um 1567, gestorben nach 1616.

Als dritter Satz der Suite dient eine anonyme Siciliana aus dem 16. Jahrhundert, die in ihrer Naivität von den barocken Siciliani eines Vivaldi, Bach oder Pergolesi noch weit entfernt scheint. Nach diesem sanft schwingenden Intermezzo folgt als pathetisches Finale eine Passacaglia aus der Barockzeit. Graf Ludovico Roncalli veröffentlichte sie 1692 in Bergamo in seinen Capricci armonici, einer Sammlung von neun Suiten für die fünfchörige spanische Barockgitarre. In den Geigen- und Bratschensoli zu Beginn kann man noch etwas vom Klang der Barockgitarre erahnen, ansonsten hat Respighi diesen Satz höchst effektvoll in eine große Passacaglia für Streichorchester verwandelt. Sie wird geprägt von den stets wiederholten viertaktigen Variationen eines Grundbasses, der aber in keiner Weise streng gehandhabt wird.

Die Uraufführung der dritten Suite fand im Januar 1931 unter der Leitung Respighis im Conservatorio die musica in Mailand statt.

Drei Mitschnitte empfehle ich Ihnen heute, zunächst mit dem Münchener Kammerorchester unter der Leitung von Enrico Onofri:

www.youtube.com/watch

Zum Vergleich: Die CHAARTS Chamber Artists unter der Leitung von Konzertmeister Felix Froschhammer, aufgezeichnet im Stadttheater Lindau am 27. Mai 2014:

www.youtube.com/watch

Und wer das Stück noch ein wenig ausführlicher kennenlernen mag, dem sei das Video mit Douglas Bostock und dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim empfohlen, die Aufnahme entstand am 21. Januar 2022 im CongressCentrum Pforzheim:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd