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05.05.2025 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 770

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

eines der wichtigsten Werke der Kammermusik erwartet Sie in der heutigen Ausgabe: Franz Schuberts Streichquintett C-Dur D 956.
 
Wenige Wochen vor seinem Tod schuf Franz Schubert sein Streichquintett. Es wurde zu einem Hauptwerk nicht nur Schuberts, sondern der gesamten Kammermusikliteratur. Schubert war 31 Jahre alt, als er das Quintett für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli C-Dur komponierte. Der Entstehungsprozess dieses Werkes ist nur spärlich dokumentiert. Am 2. Oktober 1828 erwähnte Schubert in einem Brief an den Leipziger Verleger Heinrich Albert Probst das Quintett, das „dieser Tage erst probiert" werde. Die Tage des Komponisten waren da längst gezählt; Schubert, der an Syphilis litt, starb wenige Wochen später, am 19. November.  

"Vor Franz Schuberts Streichquintett C-Dur verneigen sich alle Menschen, denen Musik etwas bedeutet." Das sagte einmal der Musikkritiker Joachim Kaiser. Viele Gerüchte ranken sich um die Entstehung dieses Streichquintetts. Und doch - selbst wenn man alle Spekulationen beiseite legt, bleibt die Tatsache, dass das Streichquintett in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes ist. Zum Beispiel in seiner für die Gattung ungewöhnlichen Besetzung mit zwei Violinen, einer Viola und zwei Violoncelli. Oder mit seiner Länge von rund 55 Minuten und der dabei unglaublichen Komplexität. Das Werk scheint seiner Zeit vorausgeeilt zu sein. Schubert selbst erlebte die Uraufführung des Streichquintetts nicht mehr, es wurde erst fast 20 Jahre nach seiner Fertigstellung aufgeführt.

"Spätwerk" - das klingt immer nach Musik letzter Hand, nach Todesahnung und künstlerischer Vollendung. Kaum ein anderes Werk scheint diese Klischees so sehr zu bestätigen wie Franz Schuberts C-Dur-Quintett. Es geht einem nahe - und bleibt doch fremd: kaum greifbar. Schubert war in den letzten Wochen vor seinem Tod geradezu fieberhaft produktiv, das Quintett ist in dieser Zeit entstanden, gleichzeitig mit anderen wichtigen Werken, etwa seinen letzten drei großen Klaviersonaten. Dass er kurz vor seinem Tod noch die Energie fand, solch monumentale Werke zu Papier zu bringen, wirkt aus heutiger Sicht fast schon gespenstisch. Zu Lebzeiten hat er sein eigenes Quintett nie gehört.

Sinfonisch muten die Ausmaße des Werks an. Knapp 20 Minuten Spieldauer alleine für den Kopfsatz sprengten damals übliche Dimensionen. Die Ausgangstonart C-Dur schwankt immer wieder nach Moll, sodass ein Wechselbad von unbeschwert fröhlichen und tief traurigen Emotionen entsteht. Letztlich muss man das Stück hören, erleben und auf sich wirken lassen, denn diese Musik in Worte zu fassen ist kaum möglich.

Zwei Mitschnitte empfehle ich Ihnen heute sehr gerne, zunächst ein Mitschnitt vom Vinterfest 2011 in Mora (Schweden) mit Janine Jansen, Julia-Maria Kretz, Màtè Szücs, Daniel Blendulf und Jan-Erik Gustafsson:

www.youtube.com/watch

Zum Vergleich: Das Emerson String Quartet (Philip Setzer, Eugene Drucker, Lawrence Dutton und Paul Watkins) mit David Finckel als Gastcellist, aufgezeichnet am 16. Dezember 2018 in der West Side Presbyterian Church in Ridgewood, New Jersey:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd