Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
das Saxophon hat als Soloinstrument in der klassischen Musik eher Seltenheitswert - in dieser Ausgabe steht es heute im Rampenlicht mit dem Konzert für Altsaxophon und Orchester Es-Dur op. 109 von Alexander Glasunow.
Mit diesem Werk schreibt Glasunow 1934 das bis heute bekannteste Saxophonkonzert und katapultiert es damit in die klassische Musik. Es ist Glasunows letztes großes Werk: eine Viertelstunde lang, schwelgerisch-romantisch und von russischen Volksmelodien getragen, manche Momente erinnern sogar an Filmmusik. 1934 erklingt das Saxophonkonzert zum ersten Mal, und damals ahnt noch niemand, wie berühmt das Stück einmal werden wird. Zumal das Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte Holzblasinstrument bis dahin eher in der Militärmusik und im Jazz Zuhause ist. Von seinem Einsatz in einem Sinfonieorchester konnte sein Erfinder, der Franzose Adolphe Sax, nur träumen. Glasunow gelingt also, was viele für unmöglich halten: Er zeigt, wie zart und sanft ein Saxophon klingen kann. Leider hat Glasunow sein Konzert selbst nie gehört.
Die Virtuosität von Flöte oder Klarinette mit kraftvollem Tiefensound verbinden, das schwebte dem belgischen Tüftler und Musiker Adolphe Sax vor, als er um 1840 ein neuartiges Blasinstrument entwickelte und bald im musikhungrigen Paris präsentierte. Mit Erfolg: „Voll, weich, schwingend und äußerst kraftvoll“ lobte kein Geringerer als der Instrumentationsspezialist und Komponist Hector Berlioz das goldfarbene Instrument und taufte es kurzerhand nach seinem Erfinder: Saxophon!
Während sich das robuste neue Instrument in den französischen Militärkapellen schnell großer Beliebtheit erfreute, dauerte es seine Zeit, bis sich Komponist:innen für das Saxophon als Solo-Instrument interessierten. Dem beharrlichen Drängen des großen Saxophonisten Sigurd Rascher, der 1933 von Deutschland nach Dänemark und später in die USA emigrierte, verdankt die Nachwelt rund 200 Werke für Saxophon, darunter auch das Glasunow-Konzert.
Schon der erste Einsatz des Saxophons wärmt das bis dahin eher düstere Orchesterspiel deutlich auf. Glasunow, der in St. Petersburg Professor für Instrumentationslehre war, konnte hervorragend orchestrieren und lässt das Anfangsthema durch das ganze Stück hindurch immer wieder aufleben. Geschickt nutzt er die Sahne-Lage, in der das Saxophon mit dem Orchesterklang verschmilzt, für die gesanglich-melancholischen Passagen. Dazwischen spielt er die Beweglichkeit und die prägnante Klangfarbe in den höheren Lagen aus und komponiert mit schnellen Läufen und großer Geste Virtuosen-Futter. Das intelligente Klangfarbenspiel und der spätromantische Tonfall, in dem das Saxophon warm badet - ohne in Kitsch zu schwelgen! -, haben dazu beigetragen, dass Glasunows Konzert seit der Uraufführung mit Sigurd Rascher zu einem Klassiker der Saxophon-Literatur avancierte und heute regelmäßig in den Konzertsälen zu hören ist.
Unser heutiger Konzertmitschnitt kommt aus der Kölner Philharmonie. Łukasz Dyczko spielte Glasunows Saxophonkonzert am 24. Januar 2019 mit dem WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Cristian Măcelaru:
Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler