Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
ein Werk, das ich bereits selbst häufiger aufführen durfte, steht heute im Mittelpunkt: Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie Nr. 29 A-Dur KV 201. Sie gehört zu jener Gruppe von Salzburger Sinfonien, mit denen Mozart auf seinen längeren Besuch in Wien im Sommer 1773 reagierte (KV 183, 184, 199, 200, 201 und 202).
Die Eindrücke in der kaiserlichen Hauptstadt, darunter zweifellos die großen Sinfonien Haydns aus der Zeit um 1770, müssen den jungen Mozart überwältigt haben. Seinen bislang von Italien und Johann Christian Bach geprägten Sinfoniestil stellte er nun gleichsam radikal auf den Wiener Stil um. Das Menuett mit Trio wurde als vierter Satz in die Sinfonie eingeführt, die Ecksätze konsequent motivisch-thematisch behandelt, der Kontrapunkt unter den Orchesterstimmen subtil ausgebreitet. Das glorreiche Musterbeispiel für diesen „neuen Mozart“ im Genre der Sinfonie ist KV 201 aus dem Jahr 1774.
Die Art und Weise, wie Mozart hier das Kopfmotiv des ersten Satzes in ein kontrapunktisch dicht gewobenes Netz eingebettet hat, wie er in der weit ausgreifenden Durchführung Mollregionen berührt und das Thema bis zum Schluss nie aus dem Auge verliert, zeugt unmissverständlich von dem neuen Stil. Der wunderbare Gesang der Streicher im langsamen Satz mit seinem rhythmisch-melodischen Pendelschlag wirkt ebenso neu wie die überraschende Idee, am Ende den Bläsern das Thema in einer kleinen „Harmoniemusik“ anzuvertrauen. Das Motivspiel der Geigen zu Beginn des Menuetts und die unbändige rhythmische Kraft des Finalthemas, dessen „Rakete“ als Scharnier zwischen allen Teilen der Sonatenform fungiert, gehören bis heute zu den einprägsamsten Einfällen des Sinfonikers Mozart.
Mozarts heitere und zugleich bemerkenswert fein gearbeitete A-Dur-Sinfonie gehört zu einer Gruppe von drei Sinfonien, die er als junger Mann noch in Salzburg vor seiner Parisreise vollendete. Mozart selbst schätzte sie damals so sehr, dass er sie entgegen der Gewohnheit, stets neue Werke zu präsentieren, immer wieder - auch später in Wien - aufführte.
Unser heutiger Konzertmitschnitt kommt aus dem Prager Smetana-Konzertsaal. Claudio Abbado dirigierte dieses Werk im ersten Europakonzert der Berliner Philharmoniker am 1. Mai 1991 - der Tag ist seitdem ein fester Konzerttermin, der das Orchester seitdem in bekannte und unbekannte Spielstätten Europas führt:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Urlaubsgrüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler