Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
heute stelle ich Ihnen drei Stücke vor, von denen eines zur Zeit Dauergast auf meinem Notenpult ist: Johann Sebastian Bachs drei Gambensonaten BWV 1027 - 1029.
Eine Aufführung der ersten Sonate G-Dur folgt am 1. März in der Stadtkirche, davon später mehr.
Bis heute steht Johann Sebastian Bachs Kammermusik im Schatten seines Klavier-, Orchester- und vor allem seines Vokalschaffens. Aber natürlich finden sich auch hier Kompositionen überragender Qualität, darunter auch drei Sonaten für Gambe. Sie markieren einen letzten Höhepunkt der Literatur für dieses Instrument. Aufhalten ließ sich der Abschied von der Viola da gamba aber auch durch Bach nicht. Stellten die Gamben noch im 17. Jahrhundert eine ebenso vielgestaltige wie vielseitig einsetzbare Instrumentenfamilie dar, wurden sie bis 1800 von der Geige und ihren Unterformen verdrängt, und zwar nahezu vollständig. Dieser Prozess verlief "von oben nach unten" und parallel zu den musikalischen Anforderungen. Schon früh wich die hohe Diskantgambe der Geige mit ihrem glanzvollen, flexiblen Ton; später folgten die Instrumente der Mittellage und ganz zuletzt die Tenorgambe, die vom Violoncello ersetzt wurde. Allein der Kontrabass verweist mit seiner besonderen Bauform und Spielweise noch heute auf seine Herkunft aus der Gambenfamilie.
Ein paar wesentliche Unterschiede zwischen Gamben und Geigen: Der Corpus der Gamben ist tiefer und größer, sein Boden nicht gewölbt, die Bauweise insgesamt leichter. Gamben haben fünf bis sieben Saiten in Quartstimmung; sie sind dünner und verlaufen über einen weniger gekrümmten Steg, was dem akkordischen Spiel entgegenkommt. Und: Gamben werden, wie bereits ihr Name verrät (gamba: Bein), auf oder zwischen den Knien gehalten. Verwendung fand die Gambe vor allem als höfisches Instrument der Kammermusik. Dem barocken Wunsch nach Klangintensität, melodischer Beweglichkeit und solistischer Brillanz entsprach sie dabei weniger als die Geige. Ihre besonderen Qualitäten, der sonore, eher intime Klangcharakter und das akkordische Spiel, fanden aber bis zum Ende der Epoche Berücksichtigung, etwa in Bachs Brandenburgischem Konzert Nr. 6, das Bratschen, Gamben und Celli einander gegenüberstellt.
Bei Bachs Gambensonaten BWV 1027-1029 sind weder Anlass noch Entstehungsjahr bekannt. Man kann nur vermuten, dass sie in Köthen geschrieben wurden, wo es einen Gambe spielenden Fürsten und mit Christian Ferdinand Abel auch einen Virtuosen des Instruments gab. Ungewöhnlich ist die Begleitung durch ein konsequent zweistimmig spielendes Cembalo, bei dem beide Stimmen selbstständig geführt und in den Noten auch vollständig ausgeschrieben sind. Bach verwendet die Gambe als Melodieinstrument der Tenorlage, entsprechend der Bratsche oder dem Violoncello - für diese beiden Instrumente wurden denn auch schon bald Bearbeitungen der Sonaten erstellt.
Was man mit einiger Sicherheit sagen kann: dass es sich bei dieser Werktrias weder um eine zusammenhängende Serie noch um Originalkompositionen handelt. Für die erste Sonate ist sogar eine ältere Fassung erhalten, nämlich ein Werk für zwei Querflöten und Bass. Die dritte Sonate dagegen wirkt wie ein kammermusikalisch bearbeitetes Concerto grosso - und tatsächlich legte der Musikwissenschaftler Peter Williams vor einigen Jahren eine solche hypothetische "Urgestalt" des Werks vor. Solche Neufassungen, das "Recyceln" älterer Kompositionen für ganz bestimmte Aufführungen oder im Blick auf einen konkreten Interpreten, sind bei Bach wie auch seinen Zeitgenossen üblich und sagen noch nichts über die Qualität der Musik. Interessant an den drei Gambensonaten ist die Tatsache, dass sie trotz grundsätzlicher Gemeinsamkeiten stilistisch in drei verschiedene Richtungen weisen und so - als "Bestandsaufnahme" des seinerzeit Möglichen - eben doch als Miniaturzyklus gelten können.
Sehr gerne stelle ich Ihnen heute die drei Gambensonaten in der Fassung für Violoncello und Klavier vor. Miklós Perényi und András Schiff musizierten die drei Sonaten am 6. Januar (Sonate Nr. 1 G-Dur BWV 1027), 3. Februar (Sonate Nr. 2 D-Dur BWV 1028) und 18. Mai 2008 (Sonate Nr. 3 g-Moll BWV 1029) im Großen Saal der Franz-Liszt-Akademie in Budapest:
Sehr gerne empfehle ich Ihnen in diesem Zusammenhang auf unser nächstes Konzert in der Stadtkirche:
Sonnabend, 1. März 2025, 18:00 Uhr, Stadtkirche, Königslutter
Kammermusik zur Passionszeit
Johann Sebastian Bach: Sonate G-Dur für Viola da Gamba und Klavier BWV 1027 / Cello-Suite Nr. 6 D-Dur BWV 1012
Robert Schumann: 5 Stücke im Volkston op. 102 / Franz Schubert: Sonate „Arpeggione“ a-Moll D 821
Tobias Münch, Violoncello * Matthias Wengler, Klavier
Eintritt: 20 €, 50% ermäßigt für Schüler/Studenten
Vorverkauf: Buchhandlung Kolbe – Sarinas Bücher- und Spieleparadies und www.coramclassic.de
Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler