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14.10.2024 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 692

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

eines der letzten Werke von Claude Debussy erwartet Sie in der heutigen Ausgabe: Die Cellosonate d-Moll.

„Über das häufige Unverständnis meiner Musik gegenüber wundere ich mich nicht mehr“, schreibt Claude Debussy in einem Brief an Jacques Durand vom 16. Oktober 1916. Und des Weiteren gibt er seiner Verärgerung Ausdruck gegenüber solchen Virtuosen, „die Irrtum und Trostlosigkeit in sogenannten Konzertsälen verbreiten“. Diese Bemerkungen beziehen sich auf den Cellisten Louis Rossor, einen eigentlich mit Debussy befreundeten Musiker und Interpreten seiner Cellosonate. Doch dieser hatte behauptet, Debussy habe ihm das „Programm“ anvertraut, das diesem Werk zugrunde liegt: eine sehr banale Geschichte über die Figur des Pierrot, die Debussy empört zurückwies. Denn die Sonate war von Debussy - vor dem ernsten Hintergrund des Ersten Weltkriegs - als Verherrlichung der Musique française in bewusster Abgrenzung von der Musik der deutschen Spätromantik gedacht.

Debussy plante 1915, nachdem er eine schwere Schaffenskrise überwunden hatte, einen Zyklus von sechs Sonaten für verschiedene Instrumente, von denen er nur drei vollenden konnte: die Cellosonate, eine zweite für Flöte, Viola und Harfe und als letzte die Violinsonate (1917). Keine von ihnen weist die traditionelle Viersätzigkeit und die akademischen Sonatenformen der deutschen Kammermusik auf, poetische Titel verweisen auf Außermusikalisches: auf Lyrik und Drama, Antike und Natur.
Gemessen an den Werken von Jean-Philippe Rameau und François Couperin entwickelte er die Maximen seines französischen Stils: „Nichts kann entschuldigen, dass wir die Tradition der Werke eines Rameau vergessen haben, die in der Fülle ihrer genialen Einfälle fast einzigartig ist.“

Die Gültigkeit und Perfektion seiner Kammermusik in dieser letzten Phase seines Komponierens haben Methode: Debussy konzipiert sie als Kristallisationspunkte seines Spätstils mit bewussten Querverbindungen zu eigenen und Werken des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Cellosonate beginnt mit einem Prolog, einer „französischen Ouvertüre“ in punktierten Rhythmen. Flirrende Bewegungen in gebrochenen Dreiklängen treten an die Stelle des fugierten Mittelteils der Barock-Ouvertüre. Der zweite Satz hat beißend-parodieartige Elemente, „ironique“ heißt u. a. eine der vielen Spielanweisungen. Mittels „Sempre Pizzicato“, gezupften Noten, ahmt das Cello eine scheinbar immer wieder unterbrochene Ständchen-Szene nach. Der Satz mündet unmittelbar in das wieder barock anmutende Finale, mit einer Mischung aus Passacaglia-Charakter und „Con-fuoco“- und „Appassionato“-Anweisungen. Aber auch spanisches Kolorit mit Anklängen an Debussys „Iberia“, seinem berühmt gewordenen „Images“-Klavierzyklus, prägen den Finalsatz.

Zwei Interpreten, die diese Sonate schon seit Jahrzehnten immer wieder auf ihre Programme nehmen, eröffnen heute den Reigen der Konzertempfehlungen - Mischa Maisky und Martha Argerich:

www.youtube.com/watch

Meine zweite Empfehlung - Heinrich Schiff und Francesco Piemontesi in einer Aufzeichnung aus dem Jahr 2007:

www.youtube.com/watch

Und zuletzt ein Mitschnitt vom Solsberg Festival 2019 mit Sol Gabetta und Bertrand Chamayou, aufgezeichnet am 29. Juni 2019 in der Klosterkirche in Olsberg:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd