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13.07.2022 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 351

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

ein unvergesslicher Theaterabend war für mich in diesem Jahr das Gastspiel des Berliner Ensembles mit der "Dreigroschenoper" von Kurt Weill und Bertolt Brecht im Wolfsburger Theater. Drei Abende konnte man die herausragende Inszenierung von Barrie Kosky in der VW-Stadt erleben, und an allen drei Abenden wurde das Ensemble minutenlang mit Ovationen vom Publikum gefeiert. Was vielleicht eher unbekannt ist: Die Musik hat es auch in den Konzertsaal geschafft - unser heutiges Musikstück ist die Kleine Dreigroschenmusik von Kurt Weill.

Die Dreigroschenoper ist das zentrale Werk, das aus der Zusammenarbeit von Kurt Weill und Bertolt Brecht entstanden ist. Textliche Grundlage ist "The Beggar’s Opera" des englischen Dramatikers John Gay, verfasst im 18. Jahrhundert, die Brechts Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann ins Deutsche übertragen hatte. Weill fasste die Grundidee des Werkes wie folgt zusammen: „Mit der Dreigroschenoper wollten wir, Bertolt Brecht und ich, die Urform der Oper aufspüren. Meiner Ansicht nach kann die Musik selbst nicht realistisch sein, sondern sie muss einer realistischen Handlung entgegengesetzt werden. Die Musik kann weder Vorgänge schildern, noch Gestalten, noch Charaktere. Dies bedeutet die bisher schärfste Ablösung Wagners (wiewohl keineswegs eine Ablehnung). Diese Art Musik ist die konsequenteste Reaktion auf Wagner. Sie bedeutet die vollständige Zerstörung des Begriffes Musikdrama. Jedes Musikstück stellt eine für sich abgeschlossene musikalische Form dar und unterbricht die Handlung.“

Die Uraufführung am 31. August 1928 im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin, war ein bombastischer Erfolg. Innerhalb kürzester Zeit wurde es zu einem weltweiten Erfolgsstück: 4.000 Aufführungen an 120 Theatern fanden innerhalb eines Jahres im In- und Ausland statt. Bis 1932 entstanden Übersetzungen in 18 Sprachen. Nachdem die Nationalsozialisten das Werk schließlich verboten, kam es bereits im August 1945 zur ersten deutschen Nachkriegsaufführung in Berlin. Heutzutage zählt die Dreigroschenoper zu den bekanntesten und meistgespielten Theaterstücken weltweit.

Jonathan Peachum ist der Boss der Bettelmafia von London. Zu seinem Entsetzen hat seine Tochter Polly den größten Gauner der Stadt, Captain Macheath, besser bekannt als Mackie Messer, geheiratet. Aus Rache will Peachum Mackie der Polizei ausliefern, damit sie ihn an den Galgen bringt. Mackie muss fliehen und übergibt vorher seine Geschäfte an Polly. Doch statt gleich die Stadt zu verlassen, stattet er den Huren von Turnbridge, darunter seiner Favoritin Spelunken-Jenny, noch einen Besuch ab. Jenny verrät ihn an die Polizei, die Mackie gefangen nimmt. Seine Hinrichtung scheint unabwendbar bis ein Bote der Königin erscheint, Mackie begnadigt und in den Adelsstand erhebt.

Zur Kleinen Dreigroschenmusik schrieb Kurt Weill am 5. Februar 1929 in einem Brief: "Die Kleine Dreigroschenmusik (ich habe absichtlich das Wort Suite vermieden) habe ich gestern auf der Probe gehört und bin sehr zufrieden damit. Es sind 8 Nummern in ganz neuer, konzertanter Fassung, teilweise mit neuen Zwischenstrophen und durchweg neu instrumentiert für 2 Flöten, 2 Klarinetten, 2 Saxophone, 2 Fagotte, 2 Trompeten, 1 Posaune, 1 Tuba, Banjo, Schlagzeug, Klavier. Ich glaube, dass das Stück enorm viel gespielt werden kann, da es genau das ist, was alle Dirigenten suchen: ein schmissiges Schluss-Stück. Die Partitur schicke ich Ihnen sofort nach der Aufführung, die Stimmen hat Klemperer vorläufig in der Oper herstellen lassen."

Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg ist im folgenden Mitschnitt aus der Hamburger Elbphilharmonie vom 20. März 2021 mit Weills Dreigroschenmusik unter der Leitung von Ingo Metzmacher zu erleben:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Urlaubsgrüßen von der Nordsee

Matthias Wengler

Beitrag von sd