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12.12.2022 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 409

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

zum morgigen Nikolaustag breche ich aus gegebenem Anlass heute einmal die Regel, ein Stück nur einmal in dieser Reihe vorzustellen. Am 19. Dezember 2020 hatte ich für Folge 114 Händels "Messias" ausgewählt - exakt zwei Jahre später, am 17. Dezember 2022, 18:00 Uhr, steht die eigene Aufführung im Kaiserdom Königslutter an, die pandemiebedingt 2020 ausfallen musste und nun endlich mit der Propsteikantorei Königslutter nachgeholt wird. Karten sind aktuell im Vorverkauf nur noch in der Buchhandlung Kolbe (Königslutter) erhältlich.

„Dieses Oratorium übertrifft bei weitem alles, was je in dieser Art in diesem oder einem anderen Königreich aufgeführt worden ist. Worte vermögen die Ergriffenheit des Publikums nicht auszudrücken.“ Die euphorischen Reaktionen zur Uraufführung des „Messias“ in Dublin im Jahr 1742 sollten diesem Meisterwerk Recht geben – es ist bis heute das populärste Oratorium des gebürtigen Hallensers und schichtweg ein Evergreen in der Geschichte geistlicher Chormusik. Von eleganten Instrumentalpassagen über melodiöse Arien bis zur expressiven Kraft des "Halleluja"-Chores sind hier sämtliche Vorzüge Händel’scher Kompositionskunst vereint. Drei Teile umspannt die Vertonung der Heilsgeschichte, deren textliche Vorlage auf einer englischsprachigen Zusammenstellung zumeist alttestamentarischer Bibelstellen von Charles Jennens beruht. Händels "Messias" hat immer wieder zu besonderen Bearbeitungen geführt, selbst bis zu Pop-, Rock- und Soulformationen hat es dieses Werk  gebracht. Ich möchte Ihnen heute drei Aufführungen empfehlen, von denen zwei nicht unumstritten gewesen, aber aus meiner Sicht lohnenswert sind.

Zunächst eine szenische Einrichtung unter der Regie von Frederic Wake-Walker, die das Oratorium sprichwörtlich auf die Bühne holt. Für Robin Ticciati ist die Berliner Philharmonie "eine Kathedrale der Möglichkeiten. Sie bietet so viele Chancen, Musik in ganz verschiedener Weise auf das Publikum wirken zu lassen und dadurch ihre Intensität zu steigern. Händels "Messias" wiederum ist weniger eine lineare Erzählung als eine Betrachtung, eine musikalische Meditation über den Text. Die verschiedenen Aspekte und Blickwinkel, die darin verborgen sind, lassen sich durch eine Rauminszenierung verdeutlichen. Wir haben eine ideale Besetzung für eine lebendige Darstellung von Händels Musik gefunden – mit dem RIAS Kammerchor, mit fünf erstrangigen Solisten, dem Tänzer Ahmed Soura, dem Lichtdesigner Ben Zamora und mit dem Intellekt, den Frederic Wake-Walker in seine szenischen Überlegungen einbringt. Wenn man sich heute mit religiösen Themen in der Musik beschäftigt, scheint es mir wichtig, einen gedanklichen Weg jenseits eines bestimmten Bekenntnisses und des Glaubens zu finden, den Horizont zu öffnen und zu weiten für menschliche, spirituelle Dimensionen."

Eine kurze Einführung mit Robin Ticciati zu diesem Konzert stelle ich dem Mitschnitt gerne voran:

www.youtube.com/watch

Am 15. Dezember 2018 musizierten in der Berliner Philharmonie Louise Alder (Sopran), Magdalena Kožená (Mezzosopran), Tim Mead (Countertenor), Allan Clayton (Tenor), Florian Boesch (Bass) und der RIAS-Kammerchor Berlin gemeinsam mit dem Deutschen Symphonieorchester Berlin unter der Leitung von Robin Ticciati:

www.youtube.com/watch

Eine ganz andere Deutung: In der Inszenierung von Claus Guth aus dem Jahr 2009 am Theater an der Wien werden zusätzliche Sichtweisen auf die Handlung um Jesus Christus und die durch ihn gewährte Erlösung der Menschheit gewährt. Claus Guth: "Das Stück ist von seiner Natur her eine religiöse oder philosophische Reflexion, weitest entfernt von der Konkretheit einer Figur. Wir haben uns für eine Umsetzung über konkrete Biographien von Menschen, die man kennen oder selbst sein könnte, entschieden, weil wir die Emotionen freilegen und nachvollziehbar machen wollten, die bei genauerem Hinhören in dieser Musik spürbar sind, und die bei einer tiefer gehenden Auseinandersetzung auch im Text zu finden sind. Wie kann man das übersetzen? Es macht ja überhaupt keinen Sinn, zu versuchen, die Geschichte Jesu zu visualisieren. Das wäre völlig "Thema verfehlt". Das kann beim "Messias" eigentlich nur misslingen; das überlassen wir "Jesus Christ Superstar". Daher haben wir einen Umweg gemacht. Wir haben nicht gleich gesagt: Wir erfinden Figuren, und daraus entsteht dann die und die Geschichte, sondern wir haben eigentlich zuerst gefragt: Was sind emotionale Zustände, aus denen heraus Menschen sich die Gottfrage stellen? Welche Situationen gibt es, in denen Menschen an einem Wendepunkt in ihrem Leben sind, vor einer radikalen Entscheidung stehen, an einem Ende, und sich aus diesen Gründen radikal hinterfragen? Da landet man irgendwann bei den Themen, um die es im "Messias" geht."

Zu erleben sind in dieser Aufführung Susan Gritton (Sopran), Cornelia Horak (Sopran), Martin Pöllmann (Knabensopran), Bejun Mehta (Altus), Richard Croft (Tenor), Florian Boesch (Bass), der Arnold Schoenberg Choir und das Ensemble Matheus unter der Leitung von Jean-Christophe Spinosi:

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Und zum Schluss noch eine ganz klassische Aufführung des Oratoriums aus dem Herkulessaal der Münchner Residenz vom November 2014: Es musizieren Julia Doyle (Sopran), Lawrence Zazzo (Countertenor), Steve Davislim (Tenor), Neal Davies (Bassbariton), der Chor des Bayerischen Rundfunks und das belgische Barockorchester B'Rock unter der Leitung von Peter Dijkstra:

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Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

P.S.: In der Vorbereitung dieser Ausgabe erreichten mich noch einige Hinweise zu diversen kuriosen Versionen des berühmten "Halleluja"-Chores - Lachen, Schmunzeln, vielleicht auch Fassungslosigkeit, bestimmt aber viel Begeisterung sind in den folgenden Links versteckt. Lassen Sie sich überraschen - viel Freude beim Ansehen!

www.youtube.com/watch

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Beitrag von sd