Suche

Musik in schwierigen Zeiten Ansicht

01.07.2025 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 791

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

heute erwartet Sie die Bearbeitung eines sinfonischen Satzes von Gustav Mahler: Der große Mahler-Verehrer Benjamin Britten bearbeitete den zweiten Satz mit dem ursprünglichen Titel "Was mir die Blumen auf der Wiese erzählen" aus Mahlers Sinfonie Nr. 3 für deutlich kleinere Besetzung.

Mahlers Musik war längere Zeit aus der Mode. So berichtet der englische Komponist Benjamin Britten, wie er Anfang der 1930er Jahre ein Klavierkonzert hören wollte, dabei aber vorher eine Sinfonie von Mahler über sich ergehen lassen musste: "Ich stöhnte natürlich in Erwartung von 45 Minuten Langeweile“ - so berichtet Britten
„Aber was ich zu hören bekam, war nicht, was ich erwartet hatte. Erstens überraschte mich die Orchestrierung. Sie war im Wesentlichen solistisch, vollkommen klar und transparent. Die Klangfarben wirkten bis ins Kleinste ausgearbeitet, und das Ergebnis war wunderbar volltönend. Ich langweilte mich für keine einzige der 45 Minuten. Die Form war so klug ausgedacht, jede Durchführung überraschte und wirkte doch zwangsläufig. Vor allem war das Material bemerkenswert, die melodischen Ausformungen waren höchst originell, mit solch rhythmischer und harmonischer Spannung von Anfang bis Ende.“

Britten war bekehrt und setzte sich fortan für Mahlers Werk ein. Er fertigte von einem Satz der dritten Sinfonie ein kleiner besetztes Arrangement an. Geprägt von seinen pantheistischen Vorstellungen, erzählt Mahler in seiner dritten Sinfonie in einem gewaltigen Entwicklungsbogen das Hohelied von der Liebe - von der erwachenden Natur im Sommer, über die Blumen auf der Wiese, die Tiere im Wald, den Menschen und die Engel im Himmel bis hin zur allumfassenden Liebe Gottes. Britten wählte den zweiten Satz dieser Sinfonie für seine Bearbeitung; er steht unter dem Motto „Was mir die Blumen auf der Wiese erzählen“. Laut eigener Aussage sah Mahler darin das Unbekümmertste, das er je geschrieben habe, „so unbekümmert, wie nur Blumen sein können. Das schwankt und wogt alles in der Höhe aufs leichteste und beweglichste, ohne Schwere nach unten in die Tiefe, so wie Blumen im Winde auch biegsam und spielend sich wiegen. Freilich bleibt es nicht bei der harmlosen Blumenheiterkeit, sondern plötzlich wird alles furchtbar ernst und schwer, wie ein Sturmwind fährt es über die Wiese und schüttelt die Blätter und Blüten, die auf ihren Stängel wimmern, als flehten sie um Erlösung in ein höheres Reich.“

Durch Brittens Bearbeitung ist einer der populärsten sinfonischen Sätze Mahlers von mittelgroßen Orchestern aufführbar und eignet sich auch für ambitionierte Jugendorchester. Brittens meisterhafte Orchestrierungskunst erzielt trotz des schlanken Apparats erstaunliche Klangresultate.

Drei Mitschnitte stelle ich Ihnen gerne zur Auswahl, zunächst mit dem WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Ariane Matiakh, der Mitschnitt entstand am 2. März 2023 im WDR Funkhaus Köln:

www.youtube.com/watch

Zum Vergleich: Das Radio Filharmonisch Orkest unter der Leitung von David Robertson, aufgezeichnet am 4. Februar 2024 im Amsterdamer Concertgebouw:

www.youtube.com/watch

Und zum Abschluss das MIAGI Youth Orchestra from South Africa - MIAGI steht für "Music is a great investment" - unter der Leitung von Duncan Ward, der Mitschnitt entstand am 14. Juli 2018 im Rahmen der Gustav Mahler Musikwochen im Toblacher Gustav Mahler Saal:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Urlaubsgrüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd