Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
ein bedeutendes und monumentales Werk der französischen Kammermusik erwartet Sie in der heutigen Ausgabe: das Klavierquintett f-Moll von César Franck.
César Franck schrieb sein Klavierquintett 1878/79, in den Jahren des Aufbruchs der französischen Musik zu neuen Ufern. Nach der militärischen und politischen Katastrophe von 1871 verlieh die Morgenröte der Zweiten Republik auch dem Musikleben neue Impulse. Parallel zu den impressionistischen Malern suchten junge Komponisten nach neuen, typisch französischen Ausdrucksformen gerade in der Kammermusik, die bis dahin in Paris kaum beachtet wurde. Camille Saint-Saëns lieferte ihnen mit seinem Klavierquartett von 1875 ein eindrucksvolles Vorbild und verschaffte ihnen in der Societé Nationale de Musique Auftrittsmöglichkeiten, gerade mit Kammermusik. Auch seinen älteren Kollegen César Franck inspirierte er zu einem großen Werk für Klavier und Streicher: zum f-Moll-Quintett.
“Père Franck”, wie ihn seine Orgelschüler am Pariser Conservatoire bewundernd nannten, zeigte sich hier als Vorreiter der jungen Generation, die in seiner chromatisch changierenden Harmonik und eigenartigen Formenwelt den Beginn einer neuen Epoche französischer Musik erkannte. Er löste die Harmonik durch ständiges Alterieren in eine impressionistische Richtung auf und führte Komponisten wie Gabriel Fauré, Vincent d’Indy und Paul Dukas an eine eigenständige Form- und Farbenwelt der französischen neuen Musik heran. Gleichzeitig war er tief von der Musik Richard Wagners beeinflusst. Dies macht den eigenartigen, zwiespältigen Reiz seiner großen Spätwerke aus: der d-Moll-Sinfonie, der A-Dur-Violinsonate und des Klavierquintetts. Für Debussy war Francks Quintett “die wahre Musik”, für Saint-Saens dagegen, dem das Werk gewidmet werden sollte, eine einzige Geschmacklosigkeit. Bei der Uraufführung am 17. Januar 1880 in Paris übernahm er zwar heroisch den Klavierpart, ließ ihn aber anschließend demonstrativ auf dem Flügel liegen und schlug die Widmung des Werkes brüsk aus.
Als erstes französische Klavierquintett des 19. Jahrhunderts ist dieses Werk eine Weiterentwicklung des Brahmsschen Klavierquintetts unter den Auspizien eines spätromantischen Monumentalstils, der mehrere weitläufige Satzgebilde zu einer ausgedehnten zyklischen Einheit zusammenfasst. Denn obwohl das Werk kein Scherzo enthält, erreicht es in den verbleibenden drei Sätzen doch die Ausmaße einer veritablen Sinfonie.
In allen drei Sätzen wird der Hörer unschwer Anleihen bei der Klangwelt der Orgel erkennen können. Wie sein österreichischer Altersgenosse Anton Bruckner war Franck primär Organist. So erinnert die Gegenüberstellung von Klavier und Streichern im Hauptthema des ersten Satzes an die verschiedenen Werke einer Orgel. Häufig entsteht der Eindruck regelrechter Registrierungen im Klangstil jener Cavallé-Coll-Orgeln, auf denen Franck in Paris seine berühmten Orgelkonzerte gab. Auch das Schwellwerk dieser riesigen Instrumente hat im f-Moll-Quintett seine Spuren hinterlassen: im ständigen An- und Abschwellen der Lautstärke.
Unsere heutigen Interpreten sind das Quatuor Ebène mit dem Pianisten Vyacheslav Gryaznov, aufgezeichnet am 6. September 2014 beim Festival Wissembourg:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler