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29.09.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 536

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

Premiere in dieser Reihe: Heute erwartet Sie eine Messe von Joseph Haydn, die Missa B-Dur Hob.XXII:14, viel bekannter unter ihrem Beinamen "Harmoniemesse".

Das Werk entstand 1802 in Haydns letzter Schaffensphase. Von seinen triumphalen Londoner Reisen nach Eisenstadt zurückgekehrt, arbeitete er wieder in den Diensten des Fürsten Eszterházy. Dieser behandelte seinen berühmten Kapellmeister mit dem Respekt, der einer hochgestellten Person zukam. Er verlangte nicht mehr von Haydn, als jährlich die Komposition einer Messe für den jeweils am 8. September mit einem feierlichen Hochamt begangenen Namenstag seiner Frau, Fürstin Maria Josefa Hermengild.

Am 14. Juni 1802 schrieb Haydn an den Fürsten: "Indessen bin ich an der neuen Messe sehr mühsam fleißig und mehr aber furchtsam, ob ich noch einigen beyfall wer­de erhalten können." Haydns Befürchtungen waren unbegründet. Die Messe, die in vieler Hinsicht auf frühere Werke Bezug nimmt, ist in gewohnt meisterlicher Manier gelungen; Haydn feierte damit einen weiteren großen Erfolg. Die Messe wurde in der Bergkirche von Eisenstadt uraufgeführt und ist die letzte in der Folge der seit 1796 entstandenen Messen. Ihren Namen "Harmoniemesse" erhielt sie erst später im 19. Jahrhundert. Sie verdankt ihn der kompletten Bläserbesetzung mit Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotten, Hörnern und Trompeten - ein solches Bläserensemble wurde zu Haydns Zeit als Harmoniemusik bezeichnet.

Dem Bericht des österreichischen Botschafters in Großbritannien, Graf Louis Starhemberg, ist zu entnehmen, dass die Feiern von 1802 ganz besonders prächtig waren und aus einem Gottesdienst (in dem Haydn selbst die Musik dirigierte), einem eleganten Diner sowie einem Ball bestanden, der bis in die Morgenstunden dauerte; am nächsten Morgen folgten eine Jagd und ein Konzert, in dem Teile der Harmoniemesse wiederholt wurden.

Eine ganz neue Art von Kyrie hat Haydn im Eröffnungssatz entworfen: ein einteiliger breit ausgeführter Adagio-Satz, im Kern komplex instrumental konzipiert, in dem die Vokalstimmen wirkungsvoll eingebaut sind. Dieses riesige sinfonische Adagio breitet das in der instrumentalen Einleitung vorgestellte Ausdrucksspektrum von Messen von der erhabenen über die lyrische zur verzweifelten Anrufung in immer neuen Nuancierungen aus. Noch verblüffender im Vergleich zu allen anderen Haydnschen Vertonungen ist das Benedictus: keine ergreifende, langsame Sopran-Arie, sondern ein aufgeregter Molto Allegro-Chorsatz.

Nachdem er die Messe vollendet hatte, klagte Haydn zunehmend über Erschöpfung, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und Depression; gegen Ende des Jahres 1804 schließlich reichte er der Familie Esterházy seine Kündigung ein. Obwohl er noch bis 1809 lebte, war die Harmoniemesse nicht nur seine letzte Messvertonung, sondern auch seine letzte größere Komposition überhaupt.

Unser heutiger Konzertmitschnitt kommt aus der Basilika des Zisterzienserklosters Waldsassen und wurde am 7. Oktober 2008 aufgezeichnet. Es musizierten Malin Hartelius, Judith Schmid, Christian Elsner, Franz-Josef Selig sowie Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Mariss Jansons:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd