Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
heute aus gegebenem Anlass ein Beispiel für den unbekannten Ludwig van Beethoven: Seine einzige Konzertarie "Ah! Perfido" op. 65 für Sopran und Orchester - am kommenden Sonnabend, 29. Oktober, ist dieses Werk um 19:30 Uhr im Kaiserdom in Königslutter zu erleben, Martina Nawrath (Sopran) wird begleitet von der Camerata Instrumentale Berlin, außerdem stehen Beethovens Schauspielmusik zu Goethes "Egmont" op. 84 und die 5. Sinfonie c-Moll op. 67 auf dem Programm; Karten sind noch in der Buchhandlung Kolbe (Königslutter) oder an der Abendkasse erhältlich.
Im Februar 1796 machte sich Beethoven zu seiner einzigen Konzertreise auf. Erstes Ziel war Prag, wo Beethoven bis April blieb. Szene und Arie "Ah! Perfido" für Sopran und Orchester entstanden in Prag, erste Skizzen sind möglicherweise noch vor der Abreise in Wien angefertigt worden. An wen der Komponist dachte, als er diese Konzertarie schrieb, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Vieles spricht für die Prager Star-Sopranistin und Mozart-Freundin Josepha Duschek: Sie war es, die das frisch komponierte Werk am 21. November 1796 bei einem Konzert in Leipzig sang. Gewidmet hat Beethoven es allerdings einer Gräfin Clari, die zwar eine begabte Mandolinenspielerin war, als Gesangsinterpretin aber kaum in Frage gekommen wäre. Die Wiener Erstaufführung fand erst zwölf Jahre später statt und endete im Misserfolg einer Debütantin (Josephine Killitschky, Schwägerin von Ignaz Schuppanzigh), nachdem die berühmte Sopranistin Anna Milder wegen eines Streits mit dem Komponisten abgesprungen war.
Unklar ist auch, aus welcher Textquelle Beethoven schöpfte. Das einleitende Rezitativ weist eindeutig auf „Achille in Sciro“ hin, die darauf folgenden Arienstrophen sind jedoch im zugehörigen Libretto von Pietro Metastasio, das eine dramatische Begebenheit aus der griechischen Mythologie schildert, nicht zu finden. Worte und Musik beschreiben eine auf dem Scheitelpunkt einsetzende Sturzwelle der Emotionen. In einem Schwall von Anklagen und Rachegedanken verschafft sich die von ihrem Angebeteten Achilles verlassene und enttäuschte Deidamia Luft, um danach in Todessehnsucht zu versinken. Beethoven gestaltet aus diesem Widerstreit der Gefühle eine überaus spannende Szene, die durch zahlreiche Tempowechsel, dynamische Kontraste und farbige Instrumentierung gekennzeichnet ist.
„Ah! Perfido“ ist die einzige Arienkomposition Beethovens, die sich einen festen Platz im Repertoire der Sopranistinnen sichern konnte. Die Art und Weise, wie er hier auf dem Konzertpodium eine Bühnenfigur formt, weist schon auf seine revolutionäre, intensive, wenn auch konfliktgeladene Beschäftigung mit der Gattung Oper hin, die schließlich zu seiner Oper „Fidelio“ führen sollte.
Verschiedene Mitschnitte stelle ich Ihnen heute gerne vor, zunächst Chen Reiss mit der Academy of Ancient Music unter der Leitung von Christoph Altstaedt, aufgezeichnet am 4. März 2020 im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg:
Mitschnitt Nr. 2 kommt aus Wien und wurde im Konzerthaus am 11. Januar 2020 aufgezeichnet: Jacqueline Wagner wird begleitet von den Wiener Symphonikern unter der Leitung von Philippe Jordan:
Birgit Nilsson trat am 20. April 1974 mit dem Orchestra della RAI di Rom unter der Leitung von Wolfgang Sawallisch mit Beethovens "Ah! Perfido" auf:
Und zum Schluss noch einmal ein Mitschnitt aus Wien: Lisa Larsson mit der Wiener Akademie unter der Leitung von Martin Haselböck, aufgezeichnet im Landtagssaal des Palais Niederösterreich am 18. Februar 2017:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Berlin
Matthias Wengler