Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
Kammermusik gehört für unseren heutigen Komponisten eher zu den weniger bekannten Genres: Heute erwartet Sie in dieser Reihe die Violinsonate Es-Dur op. 18 von Richard Strauss.
Mit seiner einzigen Violinsonate gelang dem 23-jährigen Richard Strauss ein Geniestreich - wie in so manch anderem Werk aus seiner Jugend. Es war die Talentprobe eines kraft strotzenden jungen Genies, das sich 1887 von München aus anschickte, seiner Generation den Weg in die sinfonische Zukunft zu weisen. Strauss schuf “die” deutsche Violinsonate des Fin de Siècle, deren Virtuosität und Farbigkeit alle Grenzen sprengt, die sich etwa ein Johannes Brahms in seinen Violinsonaten selbst gesetzt hatte.
Die meisten seiner Kammermusiken komponierte Richard Strauss in jungen Jahren. Nachdem er durch Werke wie "Aus Italien", "Don Juan" und "Macbeth" erst einmal den Umgang mit dem Orchester gelernt hatte, gab er die kammermusikalischen Formationen auf, um sich erst gegen Ende seines Lebens mit dem Streichsextett der Oper "Capriccio" und dem Allegretto für Violine und Klavier (1948) wieder diesem Bereich zuzuwenden. Zu den frühesten Kammerkompositionen gehören das Streichquartett op. 2, die Cellosonate op. 6 und als eindeutig herausragende Kreation die 1887 entstandene Violinsonate op. 18.
Schon sehr früh war Richard Strauss auf der Geige und am Klavier unterwiesen worden. 1882 hatte er fernerhin ein Violinkonzert geschrieben, und so ist es kein Wunder, dass die Sonate einen vorzüglichen, idiomatischen Umgang mit beiden Instrumenten verrät. Überraschender ist da schon die Reife des Werkes, das in seinen Ecksätzen unverkennbar den stolzen Elan und die absolute Leichtigkeit zeigt, die Strauss auszeichneten. Mittlerweile hatte er sich in seine zukünftige Gemahlin Pauline de Ahna verliebt. Der ausgedehnte Kopfsatz umfasst mit seinem immensen melodischen Einfallsreichtum die ganze Bandbreite von intimer Zärtlichkeit bis zu großartigem Auftreten. Die heroischen Anfangstakte im Viervierteltakt bergen eine kleine rhythmische Figur, die sich als obsessives Element vieler Passagen erweisen wird. Das Klavier (espressivo) beziehungsweise die Violine (3/4 appassionato c-moll) bringen weitere Gedanken, bevor das eigentliche zweite Thema erscheint, dessen zweite Hälfte zu der „espressiven“ Melodie des Klaviers wiederholt wird. Die gründliche Durchführung durchschreitet mancherlei Tonarten und Stimmungen, indessen Strauss mitunter auf insgeheim Brahmsische Weise die Muskeln spielen lässt.
In dem als Improvisation betitelten Mittelsatz, der sich von Anfang an aus seinem Sonatenkontext löste und ein selbständiges Leben führte, gibt es einen stürmischen Mittelteil, in dem sich der Erlkönig breitmacht. Die Episode löst sich jedoch in dekorative Filigranarbeit auf, die Strauss dann mit der Reprise der Eingangsmelodie verbindet. In den letzten Takten zitiert das Klavier aus dem Adagio der „Pathétique“ von Ludwig van Beethoven.
Das Finale wird von einem düsteren Andante des Klaviers eingeleitet, worin unter anderem das Hauptthema des nachfolgenden Allegro angedeutet wird, das dann zu der gesunden Bravour des Kopfsatzes zurückfindet. Strauss setzt sich ausführlich mit einer spezifischen scherzando-Idee auseinander, die mit den gesanglicheren Themen kontrastiert. Nach der lebhaften, unternehmungslustigen Durchführung kündigt ein gewaltiges Rauschen des Klaviers die Reprise an. Das Werk wurde 1888 von Robert Heckmann und dem Pianisten Julius Buths uraufgeführt.
Unser heutiger Mitschnitt entstand im Juli 2014 beim Verbier Musikfestival, es musizieren Leonidas Kavakos und Daniil Trifonov:
Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler