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26.09.2025 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 832

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

zu meinen großartigsten Konzertbesuchen des letzten Jahres zählt eine Aufführung des heutigen Musikstücks: Peter Tschaikowskys Streichsextett d-Moll op. 70 "Souvenir de Florence".

Tschaikowsky betitelte sein einziges Sextett mit „Souvenir de Florence“. Er hatte in Florenz einige Wochen verbracht, um dort seine Oper „Pique Dame“ zu vollenden.
Seine legendäre Mäzenin Nadeschda von Meck erhielt Post von ihm aus Italien: „Ich hege die Hoffnung, Sie, meine Liebe, werden froh sein zu erfahren, dass ich ein Sextett für Streicher komponiert habe. Ich kenne Ihre Liebe zur Kammermusik und freue mich, dass Sie mein Sextett wahrscheinlich hören werden, denn dazu brauchen Sie nicht ins Konzert zu gehen; ein Sextett lässt sich auch leicht in Ihrem Hause aufführen. Hoffentlich gefällt es Ihnen; ich habe es mit viel Freude und Begeisterung, ohne jegliche Mühe komponiert.“

Tschaikowsky schrieb wenig Kammermusik - sein Sextett "Souvenir de Florence" war einer seiner letzten Beiträge zur Gattung, wenige Jahre vor seinem Tod entstanden. Es entstand in Russland im Auftrag der St. Petersburger Gesellschaft für Kammermusik, kurz nach seiner Rückkehr von seiner letzten Italienreise. Das Sextett wurde 1890 vollendet und im November des gleichen Jahres im Haus des Komponisten uraufgeführt. Tschaikowsky war mit vielen Details des Werkes nicht glücklich, und so überarbeitete er es im Jahr 1892.

Abgesehen vom Titel hat die Komposition wenig typisch “Florentinisches” oder gar “Italienisches” zu bieten. Was dieses Stück zeigt, ist, dass ein Komponist von einem Ort oder einer Kultur inspiriert sein kann, ohne deshalb offenkundig “heimatliche” Elemente in sein Werk einfließen zu lassen. Sein "Capriccio Italien" verbreitet eine ausgesprochen italienische Atmosphäre, was dem Streichsextett gänzlich fehlt. Es ist tatsächlich ein sehr russisches Werk, gesättigt mit allen Charakteristika des reifen Tschaikowsky.

Kritiker waren geteilter Auffassung über die Qualität des Stückes, wie sie es im übrigen im Bezug auf Tschaikowkys gesamtes Oeuvre waren, aber dennoch behielt die Komposition einen sicheren Platz im Repertoire und ist gleichermaßen beliebt bei Musikern und beim Publikum. Angeblich hatte Tschaikowsky Schwierigkeiten bei der Arbeit an der Musik, und in der Tat vermeiden die meisten Komponisten, für ein Sextett zu schreiben. Aber das Ergebnis seiner Anstrengungen war ein Stück, das sowohl von dauerhafter Qualität wie auch sehr vielseitig ist; es wurde aufgeführt als Sextett, mit sechs gleichwertigen Stimmen, und in vielen unterschiedlichen Adaptionen für größeres Streichorchester mit veränderlicher Anzahl an Musikern für jede Stimme. In beiden Formaten erwies sich dieses Stück als beliebt und erfolgreich.

Das Werk ist großformatig angelegt mit einer Spieldauer von ca. 35 Minuten. Der erste Satz in d-Moll ist ein ausgedehnter und abgewandelter Sonatensatz mit einer lebhaften Coda, die sich in Abstufungen beschleunigt. Der zweite Satz in D-Dur ist der einzige Abschnitt der Komposition, der den Zuhörer an Italien erinnern könnte, mit einem lyrischen Thema der Violine und pizzicato-Begleitung. Der dritte Satz in a-Moll) ist ein Scherzo im 2/4-Takt im mittleren Tempo mit einem Trio, das ricochet-Bogentechniken verwendet. Das Finale ist ein Sonatenrondo im russischen Stil, für das Tschaikowsky berühmt ist und das er mit großer Wirkung einzusetzen wusste. Das zweite lyrische Thema ist eines seiner singbarsten und liebenswürdigsten Melodien. In der Mitte findet man eine Doppelfuge, die eine wilde, kontrapunktische Steigerung aufbaut, bevor sie sich prächtig in die Wiederholung des zweiten Themas ergießt. Wahrhaftig bringt dieses Finale das gesamte Werk zu einem aufregenden Abschluss.

Unser heutiger Konzertmitschnitt entstand am 27. Juni 2014 beim Internationalen Kammermusik-Festival Utrecht im TivoliVredenburg, es musizieren Janine Jansen, Vilde Frang, Lawrence Power, Julian Rachlin, Nicolas Altstaedt und Jens Peter Maintz:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Urlaubsgrüßen aus Amsterdam

Matthias Wengler

Beitrag von sd