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25.04.2025 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 764

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

für den heutigen Karfreitag habe ich ein besonderes Chorwerk ausgewählt: Das Requiem op. 11 von Maurice Duruflé.

Maurice Duruflés Requiem könnte man wegen seiner Sanftheit als "Wiegenlied des Todes" bezeichnen. Das halbstündige Werk spannt einen Bogen vom Gregorianischen Choral zum 20. Jahrhundert - allein das macht es schon hörenswert. Entstanden ist das Requiem im Jahr 1947. Maurice Duruflé, perfektionistisch veranlagt, befand es für nicht gut genug. Doch der Organist und Improvisator Marcel Dupré ermunterte ihn, es zu veröffentlichen.

Keine Dramatik des "Dies Irae": Maurice Duruflé schlägt einen lebensbejahenden, tröstend-kontemplativen Grundton an. Sein Requiem endet mit dem ätherisch anmutenden Satz "In paradisum". Damit drückt er die urchristliche Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tod und die Ewigkeit des Paradieses aus. Der Komponist ist ebenso vertraut mit der Tradition des Gregorianischen Chorals und der Kunst der sogenannten "alten Meister" wie mit den Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Das "Kyrie" zum Beispiel ist wie bei Johann Sebastian Bach als raffinierte Doppelfuge angelegt. Wie in Bachs großen Passionen gibt es einen "Gänsehaut"-Effekt, wenn in den Chorgesang hinein plötzlich Trompeten und Posaunen das gregorianische "Kyrie" in langen Notenwerten intonieren.

Heute wird dieses gut halbstündige "Requiem" oft in einem Atemzug mit Gabriel Faurés rund 60 Jahre früher entstandenem Requiem op. 48 genannt. Beide Werke finden sich gemeinsam auf vielen CD-Einspielungen. Duruflés Werk ist von seiner Tonsprache her das modernere, aber beide gelten aus gutem Grund als Schwesterwerke. Maurice Duruflé war ein großer Bewunderer von Faurés Requiem: Bei einer von dessen frühesten Schallplattenaufnahmen spielte er den Orgelpart. Die Orgel ist - wie auch bei Fauré - das zentrale Instrument, von dem aus beide Komponisten ihre Komposition entwickelten.

Von beiden Werken gibt es je drei Fassungen, davon eine mit Orgel anstelle des Orchesters. Außerdem ist bei beiden ein innig-zartes "Pie Jesu" im Zentrum der Komposition zu hören: eine Musik wie nicht von dieser Welt. Anders allerdings als Fauré schöpft Duruflé thematisch - wie so oft in seinen Kompositionen - aus Quellen des Gregorianischen Chorals. Maurice Duruflé schrieb über sein Requiem: "Dieses Requiem besteht ausschließlich aus gregorianischen Themen der Totenmesse. Bisweilen habe ich den gesamten musikalischen Text beibehalten, so dass die Orchesterteile nur zur Unterstützung oder als Kommentar dienen, dann wieder bezog ich aus dem lateinischen Text lediglich meine Inspiration, insbesondere im Domine Jesu Christe, im Sanctus und im Libera me. Im Allgemeinen ging es mir insbesondere darum, dem typischen Stil der gregorianischen Themen gerecht zu werden. Was die musikalische Form der einzelnen Stücke dieses Requiems betrifft, so lehnt sie sich gemeinhin an die von der Liturgie vorgegebene Form an. Zweck der Orgel ist vielfach, bestimmte Akzente zu betonen, sie stellt die Versicherung dar, die Glaube und Hoffnung bieten. Das Requiem ist kein ätherisches Werk, das ein Abstreifen aller irdischen Sorgen preist, vielmehr spiegelt es in der unwandelbaren Form des christlichen Gebets die Qual des Menschen angesichts des Geheimnisses seines Endes. Es ist vielfach dramatisch und birgt Resignation, Hoffnung oder Grauen, ebenso wie die in der Liturgie verwendeten biblischen Worte. Es soll die Gefühle der Menschen vermitteln, die ihrem erschreckenden, unerklärlichen oder tröstenden Schicksal gegenüberstehen."

Das ursprünglich für Solisten, Chor, Orchester und Orgel instrumentierte Werk schrieb Duruflé 1948 für Orgel und Chor um. Die Premiere fand am 2. November 1947 in der Salle Gaveau statt, am Pult stand Roger Désormière, der französische Rundfunkchor wurde von Yvonne Gouverné geleitet, die Solisten waren Hélène Bouvier und Camille Maurane. Eine dritte Version für kleines Orchester, Orgel, Chor und Solisten entstand 1961, ebenfalls durch den Komponisten selbst.

Mit diesem Meisterwerk hinterließ Maurice Duruflé ein bezwingendes Vermächtnis, ein Werk von immensem Können und tiefem Glauben. Das Requiem trat sehr bald seinen Siegeszug um die Welt an und ging in das Repertoire zahlreicher Chöre und sinfonischer Gesellschaften ein. Seine Kraft, uns immer wieder anzusprechen und zu bewegen, verdankt das Werk aber vor allem der ausgesprochen persönlichen, spirituellen und humanistischen Botschaft, die das Geheimnis vom Lebensende des Menschen aufgreift.

Zwei Fassungen stelle ich Ihnen heute zur Auswahl, zunächst einen Mitschnitt vom 4. März 2025 aus der Canterbury Cathedral mit Katie Bray, Benjamin Bevan, dem King's Chorus und dem King's School Canterbury Symphony Orchestra unter der Leitung von Will Bersey:

www.youtube.com/watch

Zum Vergleich die Fassung für Solisten, Chor und Orgel mit Katharina Guglhör, Johannes Hill, Peter Kofler und dem Chorwerk Ruhr unter der Leitung von Florian Helgath, aufgezeichnet am 27. Februar 2021 in der Essener Philharmonie:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen besinnlichen Karfreitag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd