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14.10.2022 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 391

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

heute erwartet Sie wieder einmal ein Abschiedswerk: Franz Schuberts Klaviersonate B-Dur D 960 ist seine letzte Sonate. 1828 war er sich über seinen bevorstehenden Abschied im Klaren, und sein Arbeiten war wohl immer von Gedanken und Gefühlen zu Leben und Tod begleitet.

„Die Tonkunst begrub hier einen reichen Besitz, aber noch viel schönere Hoffnungen.“ Franz Grillparzers Grabinschrift für Franz Schubert spiegelt nicht nur den Respekt der Musikwelt vor einem jung verstorbenen Genie allgemein, sondern auch die Situation in Schuberts letztem Lebensjahr im Besonderen wider. 1828 hatte sich der Wiener Komponist gerade angeschickt, eine weithin anerkannte musikalische Größe seiner Heimatstadt zu werden. Er zog zunehmend auch in Deutschland und England die Aufmerksamkeit der Musikverlage, der Fachpresse und des Publikums auf sich. Der Mainzer Schott-Verlag ersuchte ihn um Werke, die führende deutsche Musikzeitschrift widmete ihm begeisterte Rezensionen, und in Wien erlebten seine größeren Instrumentalwerke, nicht mehr nur seine Lieder, erfolgreiche Aufführungen. Als Schubert am 19. November 1828 im Alter von 31 Jahren starb, begrub die Tonkunst die schöne Hoffnung, in ihm den Nachfolger Beethovens begrüßen zu dürfen – nicht mehr und nicht weniger.

Die letzten drei Klaviersonaten, vollendet im August 1828, sind jene Werke, in denen sich Schuberts Rolle als Nachfolger der Klassiker am deutlichsten bekundet, zugleich aber auch der ureigene, tief persönliche Ton des Komponisten am klarsten ausspricht. Der besondere Rang dieses Zyklus als eines kompositorischen Vermächtnisses wurde schon 1838 von Robert Schumann in einem Artikel über „Franz Schubert’s letzte Compositionen“ angesprochen. Für Schumann waren sie dort angesiedelt, „wo die Phantasie durch das traurige "Allerletzte‘" nun einmal vom Gedanken des nahen Scheidens erfüllt ist“. Die erhaltenen Skizzen beweisen allerdings, dass sich Schubert ungewöhnlich lange mit diesen Sonaten beschäftigte, sie also schon skizziert hatte, lange bevor im September 1828 erste Anzeichen seiner Todeskrankheit auftraten. Tod und Trauer, wie sie aus den Mittelsätzen und den Durchführungspartien dieser Werke zu sprechen scheinen, gehörten vielmehr seit seiner Jugend zu seinen bevorzugten Themen, die nicht unmittelbar mit dem eigenen Schicksal verknüpft waren. Außerdem sollte man die Züge zum Grotesken und Doppelbödigen in diesen späten Werken nicht verkennen.

Die letzten drei Sonaten sind dennoch eine Art kompositorisches Vermächtnis, nämlich die Krönung von Schuberts lebenslanger Auseinandersetzung mit der Gattung Klaviersonate. Dem Musikkritiker Schumann erschienen sie „auffallend anders als seine andern (Sonaten), namentlich durch viel größere Einfachheit der Erfindung, durch ein freiwilliges Resignieren auf glänzende Neuheit … Als könne es gar kein Ende haben, nie verlegen um die Folge, immer musikalisch und gesangreich rieselt es von Seite zu Seite weiter, hier und da durch einzelne heftigere Regungen unterbrochen, die sich aber schnell wieder beruhigen.“ Schumann verkannte erstaunlicherweise die Gebrochenheit in vielen Passagen dieser scheinbar so eingängigen Werke.

Die Sonate B-Dur D 960 ist die letzte der drei späten Sonaten und zugleich das Klavierwerk Schuberts, das am meisten vom Nimbus eines „Schwanengesangs“ umgeben ist.

Meine Wahl fällt heute auf Andras Schiff - wann und wo der folgende Mitschnitt entstanden ist, konnte ich leider nicht herausfinden:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von SD