Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
unser heutiges Musikstück kommt wieder einmal aus dem Bereich Kammermusik: Das Quintett für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Klavier Es-Dur op. 16 von Ludwig van Beethoven. Mit gerade einmal 26 Jahren vollendete Beethoven dieses Werk, das einiges über den jungen, aufstrebenden Tastenkünstler und sein Umfeld in Wien verrät.
Die Wien-Reise des Jahres 1792 sollte für Ludwig van Beethoven eigentlich nur eine Episode werden. Doch dann wurde seine Heimat, das Rheinland, von den Franzosen besetzt. Beethoven blieb in Wien und begann, sich in der Donaustadt zu etablieren: als beeindruckender Virtuose und gefragter Komponist. Doch wie ließ sich für den jungen Künstler ein öffentliches Interesse erzeugen? Beethoven beantwortete diese Frage unter anderem dadurch, dass er musikalische Trends der damaligen Wiener Gesellschaft aufnahm und auf seine Art und Weise musikalisch kommentierte. So geschah es beim „Gassenhauer-Trio“, dessen Finale eine damals berühmte Opernmelodie aufgreift. Auch das Klavierquintett op. 16, begonnen in der ersten Hälfte des Jahres 1796 auf seiner Konzertreise nach Prag und Berlin, wäre in seiner besonderen Besetzung ohne den damaligen Wiener Zeitgeist - und ohne das Vorbild Wolfgang Amadeus Mozart - kaum denkbar.
Der US-amerikanische Beethoven-Biograph Alexander Wheelock Thayer schrieb im 19. Jahrhundert: „In diesem Werke tritt Beethoven ersichtlich und unmittelbar mit Mozart in Wettstreit, der ein Quintett in ganz gleicher Zusammensetzung, in derselben Tonart und in genau derselben Form schrieb.“ Ein wenig lässt Beethoven in seinem Quintett auch Mozart durchklingen, wie der Komponist Carl Reinecke feststellte: „…wenn der jüngere Meister im Quintett, op. 16 den Mozartschen Spuren mit Bewusstsein folgt, so sucht er dies in keiner Weise zu verbergen, sondern er wählt … lauter Motive, welche überall auf populär gewordene Melodien von Mozart hinweisen, gleichsam als wolle er der Welt zeigen, dass er die geistige Erbschaft Mozarts angetreten habe.” Auch die Anmut und Heiterkeit, die das Werk auszeichnen, erinnern an das von Beethoven hoch verehrte Vorbild. Der Klavierpart ist generell solistischer als bei Mozart und entspricht dem neuen Klavierstil; die Bläserparts sind eher im Serenadenstil gehalten. Das Thema des Andante nimmt unüberhörbar Zerlines Arie "Batti, batti, o bel Masetto" aus Mozarts "Don Giovanni" auf, während das Jagdthema des Finalrondo eine Variante von Mozarts Thema im Finale des Es-Dur-Klavierkonzerts KV 482 darstellt.
Wie sehr Beethoven selbst sein Klavierquintett schätzte, geht daraus hervor, dass er es mehrmals auf die Programme seiner öffentlichen Auftritte als Pianist setzte und es außerdem auch noch als Quartett für Klavier und drei Streicher bearbeitete.
Unsere heutigen Interpreten sind das Ensemble Caron und Matthias Kirschnereit. Der Mitschnitt stammt aus dem "Geisterkonzert" vom 18. Juni 2020 aus der Neuen Kirche Emden:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler