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05.07.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 500

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

Kammermusik aus Norwegen erwartet Sie in der heutigen Ausgabe: Edvard Griegs Violinsonate Nr. 3 c-Moll op. 45.

Unter den Komponisten, die im Zeichen des im 19. Jahrhundert immer stärker um sich greifenden Na­­­tionalismus die Stimmen ihrer Völker in das bis dahin von französischen, italienischen, deut­schen und österreichischen Werken dominierte Konzert der abendländischen Kunstmusik misch­­ten, vertritt Edvard Grieg am prominentesten die skandinavische Halbinsel. Von sei­­nem umfangreichen Schaffen hat nur weniges, darunter vor al­­lem die erste der beiden Suiten aus der Schauspielmusik zu Hen­­rik Ibsens "Peer Gynt" und das Kla­vierkonzert, bis heute un­­gebrochenes An­­sehen bewahrt. Das meiste, etwa die 144 Lie­­der und die sechs Bände "Lyrische Stücke" für Klavier, galt lange Zeit als Kitsch, weswegen diese Kom­positionen aus den Konzertprogrammen - vielfach zu Un­­recht - weitgehend verschwunden sind.

Geboren als Sohn ei­­nes Kaufmanns aus Bergen, kam Grieg über Anregung des be­rühmten norwegischen Geigers Ole Bull mit 15 Jahren ans Leip­­ziger Konservatorium, wo neben anderen Ignaz Moscheles und Carl Reinecke seine Lehrer waren. In Kopenhagen, bei Niles Wil­­helm Gade, setzte er seine Studien fort; entscheidend für sei­­ne Abkehr vom klassizistischen Akademismus und seine Hin­wen­dung zur nordischen Folklore war die Begegnung mit dem jung verstorbenen Rikard Nordraak, dem Komponisten der nor­we­gischen Nationalhymne. 1871 gründete er in Kristiania, dem heutigen Oslo, einen Musikverein, dessen Dirigent er bis 1880 war. Daneben unternahm er als Pianist und Dirigent zahlreiche Rei­sen. Freundschaften verbanden ihn mit Komponisten wie Franz Liszt, Johannes Brahms und Peter Tschaikowsky. Ab 1885 lebte er, gefördert durch ein Staatsstipendium, in seinem Land­haus Troldhaugen bei Bergen.

Griegs enger Bezug zur norwegischen Volksmusik äußert sich besonders im Volkstanz, dessen ständig wie­derholten, oftmals variierten Kurzfloskeln wir in Griegs Mu­­sik häufig begegnen. Außerdem ist diese durch eine phantasievolle, sehr eigenständige und oft fortschrittliche Harmonik und Melodik geprägt. Viel davon ist auch in der Violinsonate Nr. 3  c-Moll op. 45 zu finden. Es ist das letzte von Griegs abgeschlossenen Kammermusikwerken und entstand in seinem Haus Troldhaugen außerhalb von Bergen in der zweiten Hälfte des Jahres 1886. Grieg setzte die letzten Noten in den ersten Tagen des neuen Jahres aufs Papier, gewidmet ist das Werk dem Münchner Ma­­ler Franz von Lenbach gewidmet, der Griegs Gattin Nina Ha­­gerup porträtiert hatte.

Die Sonate ist im Grunde rein lyrischer Natur. Ihr Reich­tum an melodischen Einfällen ist so groß, dass diese kaum komplizierten Verarbeitungstechniken unterworfen zu werden brauchen. Anders als etwa Brahms geht Grieg also nicht ökonomisch, son­dern durchaus verschwenderisch mit seinen Einfällen um. Nicht zu­­­­letzt aufgrund dieser Missachtung der bürgerlichen Tugend der Sparsam­keit geriet seine Musik auch schnell unter Kitsch­ver­dacht. Das Hauptthema des ersten Satzes ist in seiner boh­ren­den Wild­­heit das einzige, das nicht folkloristisch beeinflusst ist. Alle an­­de­ren Themen des Werkes können den Kategorien Lied und Tanz zu­­geordnet werden, wobei im zweiten Satz der Tanz von lyrischen Abschnitten umschlossen wird. Eine virtuose Stret­ta führt das Finale zu einem wirkungsvollen Ab­­schluss in C-Dur.

In der Uraufführung im Leipziger Gewandhaus am 10. Dezember 1887 spielte Grieg das Klavier. Der Violinist war der berühmte Adolph Brodsky, der sechs Jahre zuvor auch der Solist in der Premiere von Tschaikowskys Violinkonzert gewesen war (und der später Direktor der Royal Manchester School of Music wurde). Die dritte Violinsonate erfreute sich sofort großen Zuspruchs, sowohl unter den Amateuren als auch den Berufsmusikern. Nur wenige Monate nach dem Erscheinen im Druck waren 1.500 Exemplare verkauft. Bis heute ist sie weltweit ein beliebtes Konzertstück bei den großen Violinvirtuosen.

Unsere heutigen Interpreten sind Christian Tetzlaff und Leif Ove Andsnes:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd