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17.07.2024 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 654

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

heute erwartet Sie Kammermusik aus Tschechien: Die Violinsonate F-Dur F-Dur op. 57  von Antonin Dvořák.

Gemessen an ihrem Umfang und ihrer Bedeutung fristet Dvořáks einzige Violinsonate im Konzertleben ein Schattendasein. Sie ist weit weniger bekannt als seine Sonatine G-Dur op. 100 und das Violinkonzert a-Moll op. 53, obwohl sie beiden an kompositorischer Qualität in nichts nachsteht. Zum Violinkonzert bildet sie insofern ein kammermusikalisches Gegenstück, als sie kurz vor dessen umfassender Revision entstand. Im März 1880, wenige Monate, bevor Smetana "Aus der Heimat" (ebenfalls für Violine und Klavier) komponierte, schrieb Dvořák in gewohnter Schnelligkeit die Sonate nieder. Im Vergleich zur freien Formgebung seines Antipoden blieb er der klassisch-romantischen Sonatenform treu und erfüllte sie - deutlich unter dem Einfluss von Brahms - mit spätromantischem Inhalt. Vor der Veröffentlichung der Sonate spielte Dvořák sie zusammen mit dem berühmten Geiger Joseph Joachim durch, welchem sie wohl „sehr gut gefiel“, wie aus einem Brief des Komponisten an seinen Freund Alois Göbl hervorgeht.

Die positive Reaktion Joachims auf dieses Werk war zweifelsohne durch eine gewisse, eindeutige Affinität zur Musik seines Freundes Brahms bedingt. Dvořák gibt seine musikalische Eigenart nicht dem Einfluß seines großen deutschen Zeitgenossen hin, gelegentlich scheint er ihm zu huldigen, insbesondere in der Art, wie sich der erste Satz „seinen Weg in die Auseinandersetzung bahnt“ oder etwa mit den fallenden Phrasen zu Beginn des reizvollen Poco sostenuto. Neben diesen lyrischen Aspekten ist auch eine gewisse Dynamik in der Art Brahms’ gegenwärtig.

Vieles ist aber durch und durch in der Tradition Dvořáks, insbesondere der Zuschnitt der zweiten Hauptmelodie des ersten Satzes sowie der slawische Charakter des Finales. Diese Elemente kommen insgesamt mit weniger Virtuosität zum Ausdruck als im Violinkonzert und der himmelsstürmenden Mazurka, welche beide im Jahr zuvor komponiert wurden. Wenn man einmal von der in der Sonate vorherrschenden Untertreibung absieht, so verkörpert doch die vorhandene Stimmung eine schwärmerische Entwicklung, die von Dvořáks bekannter Großzügigkeit getragen wird.

Unser heutiger Konzertmitschnitt kommt aus Moskau: Christian Tetzlaff und Leif Ove Andsnes musizierten am 3. Dezember 2015 Dvořáks Violinsonate in der Tchaikowsky Concert Hall:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd