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05.04.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 462

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

zum diesjährigen Osterfest habe ich für Sie Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 „Eroica“ ausgewählt. Zur Zeit ihrer Entstehung revolutionierte die „Eroica“ die Musikgeschichte, Beethoven selbst nannte sie seine bedeutendste Sinfonie.

Dezember 1804. Beethoven war rasend vor Wut: Hatte sich der von ihm zuvor innig verehrte Napoleon Bonaparte doch tatsächlich selbst zum Kaiser gekrönt! Dem Freiheitsideal des Komponisten stand das diametral entgegen. Den Plan, seine kurz zuvor fertiggestellte Sinfonie Nr. 3 Bonaparte zu widmen, verwarf er daraufhin. Ein Zeugnis der Aufgebrachtheit des Komponisten ist das erhaltene Titelblatt einer Partiturabschrift, aus der Beethoven die Widmung „intitolata Bonaparte“ regelrecht auskratzte.

Die Enttäuschung über das einstige Vorbild saß tief. Beethoven war bereits seit seiner Immatrikulation an der kurkölnischen Landesuniversität zu Bonn im Jahr 1789 elektrifiziert von der Persönlichkeit Bonapartes, mit dessen Idealen er damals erstmals in Berührung kam. Begeistert vom Gedankengut der Französischen Revolution mit ihrer Forderung nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, schien Napoleon ihm zunächst die geeignete Persönlichkeit, jene Grundsätze in Europa zu etablieren. So plante Beethoven gar im Jahr 1804 den Umzug von Wien nach Paris - ein Vorhaben, welches jedoch mit dem Ereignis vom 2. Dezember 1804 - der Selbstkrönung Napoleons zum Kaiser - sein jähes Ende fand. „Ist der auch nichts anderes wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen; er wird sich nun höher, wie alle anderen stellen, ein Tyrann werden“, soll Beethovens Ausruf gewesen sein. Auch der Plan, seine Sinfonie „Bonaparte“ zu betiteln, war damit hinfällig. Laut seinem Schüler Ferdinand Ries zerriss Beethoven gar das originale Titelblatt der Sinfonie und ließ es bei der Neuanfertigung mit dem heutigen Beinamen „Eroica“ versehen.

Die Musik jedoch, dessen erste Kompositionsskizzen auf das Jahr 1802 datiert sind, veränderte Beethoven nicht. Eine exakte Erklärung dafür liegt im Dunkeln, so lautet allerdings der Untertitel der Erstausgabe „Sinfonia Eroica, composta per festeggiare il sovvenire di un grand Uomo“ – zu Ehren also eines „großen Mannes“. Bekannt ist, dass Beethoven nicht nur Sympathien für Napoleon hegte, sondern auch für dessen Gegner, etwa Lord Nelson oder dem General James Abercrombie. Letzterer war 1801 in der Schlacht gegen die Franzosen gefallen, was Beethoven vermutlich dazu veranlasste, einen Trauermarsch in die Sinfonie zu integrieren. Naheliegend ist somit die Annahme, dass er seine „Eroica“ schließlich nicht mehr als ein musikalisches Statement für, sondern gegen Napoleon sah, um die freiheitlichen Ideale, von denen er zeitlebens überzeugt war, weiterhin zu verteidigen.

Neben den revolutionären Umständen der Zeit nach 1789, unter deren Eindruck die Sinfonie entstand, war es vor allem die Musik selbst, die wirklich bahnbrechend war. Nicht ohne Grund wird die „Eroica“ heute als der Grundstein der großen klassisch-romantischen Sinfonie-Gattung betrachtet. Alleine die Dimension der Komposition mit einer Aufführungsdauer von bis zu einer Stunde übertraf die Konventionen der Zeit um das Doppelte. Neu war zusätzlich die Ausführlichkeit des Kopfsatzes, die der Schlichtheit des erwähnten Trauermarsches im zweiten Satz kontrastierend entgegensteht. Auch die Kombination von Variation und der barocken Form des Fugato stellt ein absolutes Novum der Musikgeschichte dar.

Ihre Wirkung erzielt die „Eroica“ auch ohne ihren geplanten Beinamen, zudem wird sie heute zu den bedeutendsten Werken des Komponisten gezählt. Das fand auch Beethoven selbst, als er auf die Frage des österreichischen Dichters Christoph Kuffner, welche seiner Sinfonien er für seine bedeutendste halte, antwortete: „Die Eroica.“ Die Uraufführung fand im privaten Rahmen am 9. Juni 1804 im Wiener Palais statt, da der Fürst Joseph Lobkowitz das alleinige Aufführungsrecht erworben hatte. Die erste öffentliche Aufführung fand am 7. April 1805 im Theater an der Wien statt.

Aus fünf Mitschnitten können Sie heute wählen - den Anfang macht die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter der Leitung von Paavo Järvi, die mit ihrer Einspielung der Beethoven-Sinfonien vor rund 15 Jahren für Furore sorgten. 2009 spielten sie den kompletten Zyklus beim Beethovenfest in der Bonner Beethovenhalle, die "Eroica" können Sie im folgenden Link sehen:

www.youtube.com/watch

Ein Mitschnitt aus dem Wiener Musikverein aus dem Jahr 1980 - Leonard Bernstein dirigiert die Wiener Philharmoniker:

www.youtube.com/watch

Das West Eastern Divan Orchestra musizierte 2012 den kompletten Beethoven-Zyklus unter der Leitung von Daniel Barenboim im Rahmen der BBC Proms in der Londoner Royal Albert Hall:

www.youtube.com/watch

Im selben Jahr führte das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Mariss Jansons den kompletten Beethoven-Zyklus in der Suntory Hall in Tokio auf:

www.youtube.com/watch

Und zum Abschluss noch ein besonderer Anlass für Beethovens "Eroica": Herbert von Karajan wählte dieses Werk 1982 für das Jubiläumskonzert zum 100-jährigen Bestehen der Berliner Philharmoniker aus:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Osterfest mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd