Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
für Trompeter ist unser heutiges Musikstück so etwas wie Schillers „Räuber“ für Deutsch-Abiturienten: Das berühmte Trompetenkonzert von Johann Nepomuk Hummel ist (neben dem Trompetenkonzert von Joseph Haydn) ein Standardwerk bei Hochschul-Prüfungen oder Orchestervorspielen - jeder darf (oder muss) es mal spielen.
Das Trompetenspiel für immer verändern - das ist das Ziel des Wiener Trompeters Anton Weidinger, als er gegen Ende des 18. Jahrhunderts an seinem Instrument herumbastelt. Seine Idee: Durch eine Konstruktion mit neuartigen „Klappen“ will er die Trompete in die Lage versetzen, auf mechanische Weise chromatische Tonfolgen zu erzeugen. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen alle Töne durch Mundbewegungen erzeugt werden, einige kann man schlicht nicht spielen. Jetzt erwischt man zum ersten Mal relativ bequem alle Töne einer Tonleiter. Weidinger ist nicht der Erste, der dieses Experiment wagt - doch er ist der Erste, dem es gelingt. Zwar verliert die Trompete durch die neue Konstruktion ein wenig ihren durchdringenden Klang, doch plötzlich sind Melodien spielbar, die vorher nicht oder nur schwer zu erzeugen sind.
Um seine neue Erfindung einer möglichst breiten Öffentlichkeit vorzuführen, gibt Weidinger bei mehreren Komponisten Trompetenkonzerte in Auftrag. Nach Joseph Haydn, der als erster Komponist den Auftrag erhielt, ein Konzert für das neue Instrument und seinen Erfinder und Spieler zu schreiben, komponierte wenige Jahre später auch der Haydn-Stellvertreter Johann Nepomuk Hummel ein Konzert für Weidinger, das in engem Zusammenwirken mit dem Trompeter hinsichtlich des Soloparts entstand. Die Uraufführung fand am Neujahrstag 1804 im Rahmen einer Tafelmusik in Wien statt, Hummel wurde zugleich in der Nachfolge von Joseph Haydn zum Leiter der Esterházyschen Hofkapelle ernannt.
Hummel komponierte allerdings nicht in Es-Dur wie Haydn, sondern in E-Dur; Weidinger hat vermutlich zu dieser Zeit bereits ein neueres Trompetenmodell entwickelt - mit seinen vier Kreuzen ist E-Dur damals absolutes Neuland für Trompeten. Die PR-Arbeit um Weidingers neue Trompetenkonstruktion jedenfalls gelingt kurzzeitig: Die neuen Kompositionen für die Klappentrompete stehen hoch im Kurs, und die Klappentrompete selbst bleibt einige Jahre das Maß aller Trompeten-Dinge, ehe sie um die 1830er Jahre langsam von der noch heute gebräuchlichen Ventiltrompete ersetzt wird.
Auch wenn das Werk natürlich auf die virtuosen Vorzüge des Soloinstruments abgestimmt ist, so kann man es doch nicht als reines Virtuosenkonzert bezeichnen, vielmehr besitzt es großen Charme und ist sehr gehaltvoll. Alleine die Kontrastwirkungen der beiden Themen im Kopfsatz sind überaus reizvoll. Harmonische Ausflüge wie in der Durchführung des ersten Satzes und ein origineller Moll-Teil im Finalrondo sorgen für viel Spannung, nicht zuletzt im Tonartenverlauf. Im Finale darf der Solist aber auch eine Reihe technischer Raffinessen ausspielen, bis hin zu einer Kette aus Trillern, Vorschlägen, Halbtonschritten und Figurationen.
Hummels Trompetenkonzert E-Dur (übrigens in heutigen Aufführungen häufig transponiert nach Es-Dur, um die Verwirrung komplett zu machen) zählt bis heute zu den meistgespielten Trompetenwerken überhaupt und hat als Prüfstück für Hochschulabsolventen im Fach Trompete schon so manchen Musikhochschul-Konzertsaal gesehen.
Zwei Konzertmitschnitte darf ich Ihnen heute empfehlen, zunächst Reinhold Friedrich, der Hummels Konzert in E-Dur spielt, mit den Dortmunder Philharmoniker, aufgenommen 2021:
Und zum Vergleich noch ein Konzertmitschnitt aus dem Jahr 1985 mit Trompeten-Legende Maurice André - er bevorzugte die Fassung in Es-Dur - und dem Orquesta Sinfónica de RTVE, unter der Leitung von Miguel Ángel Gómez Martínez:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler