Suche

Musik in schwierigen Zeiten Ansicht

15.05.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 476

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

märchenhaft wird es in der heutigen Ausgabe zum Wochenende mit Nikolai Rimski-Korsakows Orchesterfantasie „Scheherazade“ op. 35. Sie beruht auf der gleichnamigen Erzählung „Aus tausendundeiner Nacht“, in der eine junge Frau mit dem Namen Scheherazade ihrer angedrohten Hinrichtung durch ihren Ehemann, den Sultan Schahriar, entgeht, indem sie ihm spannende Geschichten erzählt. Rimski-Korsakow greift diese Rahmenhandlung in seiner Komposition musikalisch auf. Im Spiel der Motive zeigt sich, wie Scheherazade ihre Figuren erfindet und den grausamen Sultan zähmt. Zugleich ist „Scheherazade“ ein Paradestück für Orchester und ein atemberaubendes Schaulaufen virtuoser Orchestersolisten.

Drei Dinge haben Nikolai Rimski-Korsakow ein Leben lang beschäftigt: das Meer, das Volkslied und der Orient. So schrieb jedenfalls der Sohn des russischen Komponisten, Andrej Rimski-Korsakow, über seinen Vater. Die große Orchester-Fantasie „Scheherazade“ op. 35, entstanden im Sommer 1888, bringt alle drei Dinge zusammen. Nikolaj Rimski-Korsakow bereiste als junger Marineoffizier die Welt. Von dort brachte er die Geheimnisse des Orients mit.

"Der Sultan Schahriar hatte geschworen, jede seiner Frauen nach der ersten Nacht töten zu lassen. Aber Scheherazade rettete ihr Leben, indem sie dem Sultan in 1.001 Nacht durch wundervolle Märchen und Lieder fesselte." So formulierte es Rimskij-Korsakow in seiner Einführung zu "Scheherazade" und spielte damit auf eine der beliebtesten orientalischen Märchensammlungen an. Doch der Komponist hatte große Bedenken, dass man seine Komposition zu sehr als illustrierende Nacherzählung auffassen könnte. Ursprünglich hießen bei ihm die einzelnen Sätze nur Prélude, Ballade, Adagio und Finale. Erst bei der Premiere in Sankt Petersburg kamen Satzüberschriften dazu, wie "Das Meer und Sindbads Schiff" für den ersten oder "Das Fest in Bagdad - Das Meer - Das Schiff zerschellt am Magnetberg" für den letzten Satz. Später relativierte der Komponist, er habe lediglich "eine kaleidoskopartige Folge von Märchenbildern orientalischen Gepräges" bieten wollen. Und genau dafür wird Rimski-Korsakows wohl berühmtestes Orchesterwerk seit seiner ersten Aufführung 1888 ja auch so geschätzt.

Die in betörende Klänge gehüllte sinfonische Suite eröffnet beim Anhören reichlich Stoff für die eigenen gestalterischen Fantasien. Als begleitender Rahmen dienen dabei die Hauptthemen der um ihr Leben erzählenden Scheherazade und des brutalen Sultans: Mit seinem gebieterischen Bassthema beginnt das Stück. Als Kontrast dazu antwortet die Solo-Violine mit einer einladend-verführerischen Melodie, hinter der sich Scheherazade selbst verbirgt. Um den Märchenton anzudeuten, untermalen Harfenarpeggien die Kadenzfiguren der Violine - nach Art antiker Rhapsoden, die ihren Vortrag auf der Leier (Phorminx) begleiteten. Im weiteren Verlauf des Werks kehren diese Themen häufig wieder und gewähren so einen sinnstiftenden Zusammenhang zwischen den einzelnen Sätzen. Allerdings präsentieren sie dabei jedes Mal andere Inhalte und Stimmungen. Rimski-Korsakow greift nicht etwa auf originale Volksmusik zurück, sondern erreicht dies zum einen durch eine raffinierte Instrumentation. Wenn am Ende beide Leitthemen wiederkehren, erscheint das Sultan-Thema zu "dolce" ("süß") und "pianissimo" besänftigt – dank Scheherazade und ihrer 1001 Geschichten.

Unser heutiger Konzertmitschnitt kommt aus der Frankfurter Alten Oper. Dort musizierte am 15. September 2022 das hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Alain Altinoglu:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd