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06.06.2025 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 785

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

unser heutiges Musikstück kommt aus Ungarn: Die ""Háry János"-Suite von Zoltán Kodály.

Unter dem Titel Háry János veröffentlichte Zoltán Kodály zwei Werke. Das eine ist ein Singspiel in vier Bildern, das am 16. Oktober 1926 im königlich-ungarischen Opernhaus Budapest uraufgeführt wurde. Das andere, nach der Musik des Bühnenwerkes, ist die gleichnamige Orchestersuite in sechs Sätzen, erstaufgeführt durch das Orchester Pau Casals am 24. März 1927 in Barcelona. Dirigent der Budapester Uraufführung war Nándor Rékai, jener der Erstaufführung in Barcelona, Antal Fleischer. Die Suite gelangte bereits im selben Jahr nach Amerika, wobei die beiden ersten Aufführungen in der New Yorker Carnegie Hall unter der Leitung von Willem Mengelberg am 15. und 16. Dezember 1927 stattfanden.

Die Anregung zur Komposition der Suite soll Kodály von Béla Bartók erhalten haben; nach dem skandalösen Durchfall dessen Pantomime "Der wunderbare Mandarin" wollte Bartók das Weiterleben seiner Musik in Form einer Suite wenigstens im Konzertsaal sichern. Kodály, obwohl sein Singspiel auf der ungarischen Bühne einen Riesenerfolg erntete, folgte dem Rat des Freundes und schuf damit sein meistgespielte Orchesterwerk.

Der Weg der beiden Háry János-Kompositionen  verzweigte sich allerdings gleich nach den Premieren. Das ungarische Publikum verstand sofort die „übermusikalische” Botschaft des Bühnenwerkes, nämlich, dass in den vier „Abenteuern” Hárys ein Traum von der Freiheit einer unterdrückten Nation, eines leidenden Volks zum Leben erweckt wird. Dieser historisch-gesellschaftliche Themen-Typus erschien durch Ferenc Erkels Werke auf der ungarischen Opernbühne des 19. Jahrhunderts; der Geist dieser Gattung lebte, durch Ausdrucksmittel des Märchens, der Ironie und der Volksmusik ergänzt, in Kodálys Singspiel weiter: Háry, der arme Bauernbursche, flüchtet aus dem grauen und kalten Alltag, träumt sich zum unbesiegbaren Helden und findet in diesen bunten Träumen Trost und Genugtuung. Die Botschaft war für das ungarische Publikum, das im Laufe seiner Geschichte eine ganze Reihe Tragödien erlebt und überlebt hatte, von Anfang an eine Evidenz, die ohne Zweifel zum bis heute unverändert großen Erfolg des Bühnenwerkes in Kodálys Heimat beigetragen hat. Diese Botschaft allerdings verstand das Publikum außerhalb Ungarns nicht so deutlich und erwies sich eher als ein hemmender Faktor in der internationalen Verbreitung der Bühnenversion.

Kodály betrachtete seinen Helden allerdings nicht als Lügner oder als eine Art Baron Münchhausen. Seiner Aussage nach ist „Háry die verkörperte ungarische Phantasie, die Phantasie, die Märchen erschafft. Er lügt nicht, er erzählt vielmehr Märchen: er ist ein Dichter. Was er erzählt, ist niemals geschehen, doch er hat es erlebt, somit ist es also wahr, ja wahrhaftiger als die Wirklichkeit.”

Um die Konzertsuite zu verstehen, braucht man jedoch den Geist der ungarischen Geschichte nicht zu kennen. Die sechs Sätze der Suite bilden eine Folge lyrischer, heroischer und lustiger Charakterbilder mit einem ungarischen Tanz, einer spielerischen Schlachtenszene, einem komischen Trauermarsch und einem bunten, bewegten Finale, ohne dabei der Dramaturgie des Bühnenwerkes zu folgen. Das Orchesterwerk verbreitete sich mit der Geschwindigkeit eines Lauffeuers in der ganzen Welt. Allein in den ersten drei Jahren nach der Premiere (1928–1930) erklang es in etwa 80 Städten, von Aachen bis Zürich, in 150 Aufführungen. Die berühmtesten Dirigenten, von Ernest Ansermet bis Arturo Toscanini, von Fritz Reiner bis Leopold Stokowsky, beeilten sich, das Werk in ihre Programme aufzunehmen. Kodály selbst dirigierte die Háry János-Suite zum ersten Mal am 30. August 1928 in der Londoner Queens Hall.

Unser heutiger Konzertmitschnitt kommt aus der Frankfurter Alten Oper. Das hr-Sinfonieorchester musizierte Zoltán Kodálys "Háry-János"-Suite am 5. September 2014 unter der Leitung von Juraj Valčuha, die einzelnen Sätze sind:

I. Vorspiel. Das Märchen beginnt
II. Wiener Spielwerk
III. Lied
IV. Schlacht und Niederlage Napoleons
V. Intermezzo
VI. Einzug des kaiserlichen Hofes

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein gesegnetes Pfingstfest mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd