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28.10.2024 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 697

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

ein Ballett mit Gesang erwartet Sie in der heutigen Ausgabe: "Die sieben Todsünden" von Kurt Weill, ebenso wie die "Dreigroschenoper" in Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht entstanden.

"Die sieben Todsünden" von Kurt Weill orientieren sich zwar an den Todsünden, wie sie die katholische Kirche kennt, doch Weill und Brecht gaben diesen Sünden eine neue Lesart. Faulheit, Stolz, Zorn, Völlerei, Unzucht, Habsucht und Neid - hier sind sie Lebens- und Leidensstationen der jungen Anna, die sich für ihre Familie aufopfert, die unter den Belastungen ihrer unmenschlichen Umwelt bereits zerbrochen ist - und sich schizophren wahrnimmt als Anna 1 und 2. Kurt Weill sah in diesem Werk auch den Part einer Ballerina vor, die die Anna tanzt. Doch zumeist wird darauf verzichtet. Die Aufspaltung der Person wird auch so deutlich. Anna wird dennoch durch Amerika getrieben, von einer Familie, die auf ihre Kosten ein bequemes Leben führen will, die ihr gerne Faulheit vorwirft, und die von einem Männerquartett gesungen wird.

"Die sieben Todsünden" sind 1933 in Paris entstanden, wohin Kurt Weill vor den Nationalsozialisten geflüchtet war. Ursprünglich wollte er den Schriftsteller Jean Cocteau als Texter engagieren, doch der hatte zu viel zu tun. Also holte sich Weill erneut Bertolt Brecht, mit dem er schon in Berlin zusammengearbeitet hatte. "Die sieben Todsünden" wurden ihr letztes gemeinsames Projekt. Viel Erfolg hatte die beißende Satire nicht, vielleicht auch, weil die herbe Kapitalismuskritik für die damaligen Zeitgenossen nicht leicht zu verstehen war.

Die Schwestern Anna 1 und Anna 2 werden von ihrer Familie auf eine siebenjährige Reise durch verschiedene Städte Nordamerikas geschickt, um Geld für „ein kleines Haus am Mississippi“ zu verdienen. Auf dieser Reise begegnen ihnen die Versuchungen der sieben biblischen Todsünden. Nach und nach geben sie ihre Träume und Ideale auf und kehren zuletzt desillusioniert zu ihrer Familie nach Louisiana zurück.

Am 7. Juni 1933 wurde das Werk in der Choreographie von Georges Balanchine am Théâtre des Champs Élysées uraufgeführt. Die Musik spielt mit populären amerikanischen Musikstilen der 20er Jahre wie Tango, Foxtrott, Polka oder Barbershop-Anklängen. Weill und Brecht ironisieren treffend die kleinbürgerliche Doppelmoral jeder Gesellschaft, die bereit ist, für Wohlstand ihre Werte zu opfern.

Unser heutiger Mitschnitt entstand 2001 in der Pariser Oper, zu erleben sind Anne Sofie von Otter (Anna 1), Elisabeth Maurin und Caroline Bance (Anna 2), Ian Caley, Stefan Margita, Nigel Smith und Nicolas Cavallier (Die Familie) zu erleben, die musikalische Leitung hat Alexander Polianichko:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd