Sehr geehrte Pfarrerinnen und Pfarrer, liebe Geschwister in Christus,
es herrscht Krieg in Europa – noch vor wenigen Wochen undenkbar. Die Nachrichten und Bilder, die uns derzeit vor allem aus den umkämpften Städten Charkiw und Kiew erreichen, sind erschütternd. Gleichzeitig erleben wir in den Nachbarstaaten der Ukraine, in Polen und Ungarn, aber auch in Deutschland und Europa eine ungeheuer große Solidarität und Hilfsbereitschaft für die vom Krieg betroffenen Ukrainerinnen und Ukrainer.
Auch im Landeskirchenamt haben uns bereits Anfragen und Hilfsangebote erreicht, die uns deutlich zeigen, wie groß der Wunsch und die Bereitschaft sind, seelsorgliche und diakonische Hilfe zu leisten. Dafür bin ich Ihnen und den Christinnen und Christen im Braunschweiger Land dankbar.
Ich bitte Sie und möchte Sie darin bestärken, Ihre Kirchen weiterhin als Räume für Gebet und Andacht offen zu halten und die Friedensandachten in Verbindung mit einem Geläut am Freitag um 18.00 Uhr, wo immer es möglich und sinnvoll ist, zu verstetigen.
In Anlehnung an Dietrich Bonhoeffer ist das unser Auftrag: um Frieden zu beten, um Gottes Beistand für die Opfer von Krieg und Gewalt, für die Mächtigen um Verantwortlichkeit und Weisheit und zu helfen, wo immer wir können.
Wir öffnen Menschen Räume, um sich mit dem, was sie erschüttert und bewegt, was ihnen Sorge bereitet und Angst macht, zu Gott zu wenden. Unsere Tradition hat Worte und Rituale für das, was sich sonst schwer in Worte fassen und zum Ausdruck bringen lässt.
Daneben können und sollen wir Hilfe leisten. Es gibt bereits zahlreiche Initiativen und Möglichkeiten, konkret zu helfen, über die wir Sie auch weiterhin auf unserer Homepage, im Intranet und über unsere Social-Media-Kanäle informieren werden.
Glücklicherweise haben wir mit der Diakonie im Braunschweiger Land und dem DWiN starke und professionelle Partner an unserer Seite, die wissen, was jetzt gebraucht wird und wie Hilfe effektiv und zielgenau erfolgen kann. Ich lege Ihnen hierzu die FAQ des DWiN ans Herz, die wir in der begleitenden E-Mail an Sie verlinkt haben.
Das DWiN schreibt darin: „Wir sind überwältigt, von der großen Hilfsbereitschaft und danken Ihnen allen sehr herzlich, für Ihre großen kleinen Zeichen der Nächstenliebe. Zurzeit können Sachspenden noch nicht weitergegeben werden, da sich die notwendigen Verteilzentren zur Weitergabe im Aufbau befinden. Derzeit werden an den Grenzen zur Ukraine die nötigen Infrastrukturen zur Koordinierung, Lagerung und Weiterverteilung der Sachspenden an die Menschen aufgebaut. Hierfür bitten wir Sie um Geldspenden.
Auch die Diakonie Katastrophenhilfe nimmt darum keine Sachspenden entgegen. Hilfsgüter wie Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleider und Plastikplanen für Unterkünfte kaufen die Mitarbeitenden in der Regel auf lokalen und regionalen Märkten ein. Damit ist sichergestellt, dass die Hilfsgüter den genauen Bedarf treffen und den Verhältnissen im Land und den Gewohnheiten der Menschen entsprechen. Zudem sind die Kosten geringer und die regionale Wirtschaft wird gestärkt.“
Es herrscht Krieg in Europa. Was können wir als Pfarrerinnen und Pfarrer, als Christinnen und Christen dazu sagen?
Wir können sagen, das Krieg mit dem, was Jesus Christus uns lehrt, mit dem, woran wir glauben, nicht vereinbar ist, dass Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll, wie es der Ökumenische Rat der Kirchen bereits 1948 festgestellt hat und kein legitimes Mittel der Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln (Clausewitz) ist.
Gleichzeitig wissen wir, dass Frieden mehr bedeutet und erfordert, als die Abwesenheit von Krieg. Wie aber soll ein gerechter Friede in der Ukraine wiederhergestellt werden, wenn es Putin gelingt, seine Interessen mit Gewalt durchzusetzen?
Die Bundesregierung hat entschieden, Waffen in die Ukraine zu liefern. Damit bricht sie mit einem Grundsatz, der seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht in Frage gestanden hatte. Dieser Grundsatz war aufgrund der Schrecken des Zweiten Weltkrieges gefasst worden. Seine Aufhebung wirft dunkle Schatten auf die Zukunft. Es besteht die Möglichkeit, dass damit schleichend ein Prozess beginnt, der am Ende die Eigendynamik des Krieges und die Eskalation von Gewalt nicht unterbricht, sondern ungewollt fördert
Auch das ist klar: Es gibt in dieser Situation keine einfachen Antworten. Präses Annette Kurschus, die Ratsvorsitzende der EKD, hat am vergangenen Sonntag im Rahmen der Friedensdemonstration in Berlin treffend formuliert: „Wo Kriege geführt werden, da kommt es auf Waffen an. Wo der Frieden werden soll, da kommt es auf uns an.“
Lasst uns nicht aufhören, liebe Geschwister, für den Frieden zu beten und getragen von unserem Glauben an die Überwindung von Sünde, Tod und Hölle in Jesus Christus an der Zuversicht festhalten, dass es möglich ist, die Gewalt zu beenden und zu diplomatischen und dialogischen Formen der Auseinandersetzung zurückzufinden.
Ihr Landesbischof
Dr. Christoph Meyns, Landesbischof