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27.05.2022 Kategorie: Propstei

"Wort zum Sonntag"

Pfr. Ann-Kathrin Rieken

Haben wir in den letzten beiden Jahren der Pandemie das Miteinander verlernt? Mitunter kommt es mir so vor. Ich habe das Gefühl, die Menschen reagieren gereizter, haben weniger Geduld und kaum Verständnis füreinander. Vielleicht liegt es aber auch an mir, dass ich in dieser Zeit dünnhäutiger geworden bin. Immerhin: das öffentliche Leben findet jetzt wieder statt und wir kommen nach und nach aus unserer Isolation und Einsamkeit heraus. Dennoch scheint es mir so, dass sich etwas verändert hat. Jeder ist anders mit der Belastung der letzten Zeit umgegangen. Der eine kann es gar nicht erwarten, endlich wieder durchzustarten, der andere ist noch etwas vorsichtiger. Wir konnten keine Hände schütteln, mussten darauf achten, wen wir wie treffen konnten und durften uns nicht umarmen. Mir fehlt diese Form von Nähe. Und irgendwie hat uns das auch alle ein Stückweit voneinander entfernt. Räumlich und auch emotional. Auch die Kommunikation hat sich durch das „social distancing“ verändert. Oft wird eher übereinander als miteinander geredet. Meinungen werden häufig schnell gebildet und Schlüsse gezogen, ohne das direkte Gespräch zu suchen. Es wäre doch ein Leichtes miteinander zu sprechen, sollte man meinen.

Das sind aber nur Kleinigkeiten im Vergleich zu dem, was sonst in der Welt passiert. Ich denke da an diesen einen Menschen, über den die ganze Welt nur den Kopf schüttelt. Der mit seinen realitätsfernen Machtansprüchen das Leben Tausender auf dem Gewissen hat und viel Leid über die Menschen in seinem Land und vor allem in der Ukraine bringt. Auf der anderen Seite sehe ich eine selten so erlebte Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft, eine Geschlossenheit in Europa wie man sie nicht häufig spürt.

Jesus muss gewusst haben, dass das Leben vielfältige Herausforderungen bereithält und dass sich das Miteinander schwierig gestalten kann. Er hat es selbst erlebt, wie Menschen sich auf einmal gegen ihn gewendet haben und er dann schließlich sogar zu Tode gekommen ist. In seinen Abschiedsreden im Johannesevangelium hat Jesus für uns gebetet. Er sagt: „Ich bete nicht nur für sie. Sondern ich bete auch für alle, die durch ihr Wort zum Glauben an mich kommen. Sie sollen alle untrennbar eins sein, so wie du, Vater, mit mir verbunden bist und ich mit dir.“ (Joh 17,20)
Wir sollen alle untrennbar eins sein!, so sagt es Jesus. Schon damals hatte sich angedeutet, was sich bis heute durchzieht: Uneinigkeit. Es gibt so viele Dinge, die die Einheit sprengen können und wollen. Eine Pandemie, ein Krieg und unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft. Jesus war bewusst, dass das ein Problem sein würde und deshalb betete er um Einheit. Das Verbindende der Christen ist also Christus selbst. Bei all dem was uns trennt, ist es eben Jesus, der uns im Glauben vereint. Eins sein im Sinne Jesu bedeutet nicht, dass wir in allem die gleiche Meinung haben müssen. Es bedeutet vielmehr, dass wir Jesus Christus als unseren Herrn und Erlöser sehen. Dass wir gemeinsam Gottesdienste feiern. Dass wir ehrlich und offen zueinander sind. Dass wir inhaltlich auch mal miteinander streiten, aber nie übereinander schimpfen.

Jesus macht deutlich, dass wir in ihm und durch ihn in der Liebe zueinander verbunden sind. Wir sind schon „eins“. In seiner Liebe können wir einander vergeben und uns miteinander versöhnen - das gilt es zu leben.

Es ist also nicht nur die Pandemie, die unser Miteinander verändert hat. Vielleicht hat sich die Uneinigkeit in den letzten beiden Jahren noch ein bisschen weiter verstärkt. Aber Jesus wusste damals schon, dass wir auf ihn und sein Gebet angewiesen sind, dass wir Menschen sind, die Fehler machen und uns streiten. Jesus hat für uns gebetet und das sollten wir auch tun. Gemeinsam! Amen.

Pfarrerin Ann-Kathrin Rieken, Kirchengemeindeverband Königslutter, Bezirk 1, Stiftskirche Königslutter und Sunstedt

Beitrag von red