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15.05.2021 Kategorie: Propstei

Ermutigungswort

Ermutigungswort
für den Sonntag Exaudi – 16. Mai 2021
von Pfarrer Jonas Stark (Lehre-Brunsrode)

Chance der Bärenraupe, über die Straße zu kommen

Keine Chance.
Sechs Meter Asphalt.
Zwanzig Autos in einer Minute.
Fünf Laster. Ein Schlepper. Ein Pferdefuhrwerk.

Die Bärenraupe weiß nichts von Autos.
Sie weiß nicht, wie breit der Asphalt ist.
Weiß nichts von Fußgängern, Radfahrern, Mopeds.

Die Bärenraupe weiß nur, dass jenseits Grün wächst.
Herrliches Grün, vermutlich fressbar.
Sie hat Lust auf Grün. Man müsste hinüber.

Keine Chance. Sechs Meter Asphalt.
Sie geht los. Geht los auf Stummelfüßen.
Zwanzig Autos in der Minute.

Geht los ohne Hast. Ohne Furcht. Ohne Taktik.
Fünf Laster. Ein Schlepper. Ein Pferdefuhrwerk.
Geht los und geht und geht und geht und kommt
An.
Rudolf Otto Wiemer
Impuls I: Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal oder als Bärenraupe über eine deutsche Autobahn, so fürchte ich kein Unglück, denn du, Gott, bist bei mir…. So müsste man leben können: Ohne Angst, ohne Furcht, nichts wissend von all den Bedrohungen des Lebens. Allein dem Lebenswillen, der Lust auf frisches Grün, folgend. Allein geschützt von dem, der will, dass wir leben.


Impuls II: Das Gedicht von Rudolf Otto Wiemer fasziniert mich immer wieder. Diese knappe Sprache! Diese unaufgeregte Art! Als wäre das alles nichts: Der Erfolg dieser Bärenraupe. Dabei hat sie eigentlich etwas komplett Unmögliches geschafft! Es ist nicht schwer, sich das vorzustellen. Eine langsame Raupe auf einer viel befahrenen Straße -  das kann nicht gut gehen, denkt man sofort. Ich kenne solche Momente auch aus meinem Leben: „Das schaffst du nie! Du kommst unter die Räder!“
Wenn ich mich so fühle, dann schließe ich die Augen und denke an jene Raupe. Wie sie sich von den Hindernissen nicht einschüchtern lässt, sondern einfach ihren Weg geht. Weil sie Vertrauen hat. Und dann versuche auch ich den ersten Schritt zu setzen. Und noch einen. Und ein neues Wechselspiel beginnt: Aus Gehen und Getragen-Werden. Und dann komme ich an, schaue zurück und staune: War das wirklich ich allein, der das geschafft hat? Und mir fällt ein Satz Jesu ein: „Alle Dinge sind möglich, dem, der da glaubt!“

Impuls III: Eine Bärenraupe ist kein Lieblingstier. Eine Bärenraupe ist ein kleines Licht. Doch, es wurde beschützt! So, als wenn da eine Hand sich schützend um dieses kleine Lebenslicht gelegt hatte.
Wenn also selbst diese Raupe…
„Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?
Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?
Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?
Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht.

Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.
Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen?“

Jesus von Nazareth

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Impuls IV: In unserer Welt zählen oft nur die Laster, Schlepper und Pferdefuhrwerke: Kleiner Vogel, friss oder stirb! Hast du Pech, dann hast du Pech gehabt! Hast du Glück, dann hast du Glück gehabt! Der Kosmos ist kalt. Der Kosmos kennt keine Liebe. Der Kosmos kennt keine Hand, die schützt!

Doch die alten biblischen Schreiber erzählen uns eine andere Geschichte. Die Geschichte von einem Gott, der um jeden einzelnen Menschen besorgt ist. Die Geschichte von einem Gott, der Hände hat. Hände, die sich schützend um unser Lebenslicht legen.

Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt
und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt,
der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.
Er wird dich mit seinen Fittichen decken,
und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln.
Seine Wahrheit ist Schirm und Schild,
dass du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der Nacht.
Denn er hat seinen Engeln befohlen,
dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen,
dass sie dich auf den Händen tragen
und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.

Worte aus Psalm 91

Impuls V: Ein Gebet

Herr Jesus Christus!

Du sprichst –
und alles wird neu.
Du öffnest die Fenster des Himmels
und segnest die Erde mit deinem Wort.
Du lässt Deine Gnade regnen,
dass ihre Tropfen glitzern
wie Tau am Morgen.
    
Lass es regnen vom Himmel her
über die Menschen, die in Not sind.
Über die Eltern, die nicht wissen,
wie sie ihre Kinder durch den Tag bringen.
Über die Menschen, die unter Krieg und Katastrophen leiden,
die alles verloren und neu beginnen müssen.
Überall auf der Welt.

Lass Deinen wundersamen Regen trommeln
auf die Kirchendächer in unserem Land.
Dass Deine Stimme Staunen weckt.
Dass unsere Kanzelworte
Dein Geheimnis beschweigen.
Dass die Lieder neu werden und der Glaube schön.

Lass Deine Gnade regnen
über unsere Gemeinden,
zu denen wir unterwegs sind
im Raum deines Wortes.
Behüte uns auf unseren Wegen
an die Orte, an denen wir zu Hause sind.

Mach einen Riss ins Gewölbe der Zeit.
Schicke Deinen wundersamen Regen,
wenn das Leben dürr wird und trocken.
Stärke uns heute und morgen,
von der Taufe bis zu Deinem Tag.
Lass unser Leben gelingen
von nun an bis in Ewigkeit.

(Martin Nicol)

Beitrag von red